Veränderliche Sterne

Der Mirastern R Andromedae

Aufgrund seiner Nähe zur Andromedagalaxie und zu einigen hellen Sternen in der Andromeda ist der Veränderliche R Andromedae leicht aufzufinden.
Der Veränderliche R Andromedae liegt nur wenige Grad von der Andromedagalaxie M31 entfernt. Die Sterne mit Flamsteed-Bezeichnungen (Ziffern) und Bayer-Bezeichnungen (griechische Buchstaben) in diesem Areal sind ebenfalls markiert. (Bild: Uwe Reichert)
Visuelle Beobachtungen von Amateurastronomen zeigen die Helligkeitsschwankungen des Sterns R Andromedae.

Lichtkurve des Mira-Veränderlichen R Andromedae. Die scheinbare Helligkeit des pulsierenden Sterns schwankt mit einer Periode von etwa 409 Tagen zwischen 5,8 mag und 15,2 mag, wobei nicht immer der gleiche Maximalwert erreicht wird. Jeder Messpunkt in dieser Lichtkurve entspricht einer visuellen Helligkeitsschätzung eines Amateurastronomen. Die nach rechts laufende Zeitachse ist in Einheiten von Tagen als Julianisches Datum markiert. (Bild: AAVSO)

 Name:
 R Andromedae
 andere Bezeichnungen:
 HD 1967, HIP 1901, HR 90
 Objekttyp:
 Pulsationsveränderlicher vom Mira-Typ
 Sternbild:
 Andromeda
 Position (J2000.0):
 α = 00h 24m 01,95s, δ = +38° 34′ 37,3″
 scheinbare Helligkeit:
 5,8 – 15,2 mag
Periode:
409,2 Tage
 Spektralklasse:
S3,5e – S8,8e (M7e)
 Entfernung:
 240 pc = 790 Lj
 Radius:
 ca. 500 Sonnenradien
Umgebungskarte des Sterns R Andromedae mit schwarzen Sternen auf weißem Grund

Die Umgebung des Mira-Veränderlichen R Andromedae (Fadenkreuz in der Bildmitte). Die Zahlen sind Helligkeiten von geeigneten Vergleichssternen in Magnituden, wobei das Komma bzw. der Dezimalpunkt weggelassen wurde, um Verwechslungen mit Sternen zu vermeiden. Beispiel: 68 = 6,8 mag. (Bild: AAVSO)

R Andromedae ist ein langperiodischer Pulsationsveränderlicher des Mira-Typs im Sternbild Andromeda. Wir finden ihn 1,3° östlich von Theta Andromedae (θ And) und 0,8° nordöstlich von Rho Andromedae (ρ And). Im Fernglas und auf Fotografien erscheint er rötlich. Dieser rote Riesenstern ist knapp 800 Lichtjahre von uns entfernt; seine scheinbare Helligkeit variiert mit einer Periode von 409 Tagen zwischen einem Maximalwert von 5,8 mag und einem Minimalwert von 15,2 mag. Dieser Lichtwechsel über neun Magnituden hinweg bedeutet, dass der Stern während seines Maximums 4000 Mal heller leuchtet als während seines Minimums. Wie bei Mirasternen üblich, können die Extremwerte der Helligkeit zwischen benachbarten Zyklen leicht schwanken. Der Anstieg der Helligkeit erfolgt etwa doppelt so schnell wie die Abnahme; dieses Verhalten wird durch eine Asymmetrie in der beobachteten Lichtkurve deutlich.

Seine letzten Helligkeitsmaxima erreichte R Andromedae Anfang Oktober 2020 und im Dezember 2021 mit jeweils 6,2 mag. Im September 2019 blieb der Stern eine Helligkeitsklasse schwächer. Wer selbst den Anstieg der Lichtkurve mit einem Fernglas verfolgen möchte, beginnt mit den Beobachtungen etwa zwei Monate vor dem erwarteten nächsten Maximum. Steht ein Teleskop zur Verfügung, das auch 11 mag helle Sterne erkennen lässt, kann man bereits drei Monate zuvor das entsprechende Sternfeld überwachen. Seine nächsten Helligkeitsmaxima wird der Stern voraussichtlich zum Jahreswechsel 2022/2023 und im Februar 2024 erreichen.

Eine Lichtkurve sowie eine Umgebungskarte mit den Helligkeiten von Vergleichssternen für die eigene Beobachtung lässt sich auf der Website der American Association of Variable Star Observers (AAVSO) erstellen und herunterladen. Auch die Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne (BAV) bietet nützliche Informationen an.

Technetium: Schlüssel für die Nukleosynthese

Aufgrund der starken Absorptionsbanden von Zirkonoxid (ZrO) im Spektrum gehört R Andromedae zur Spektralklasse S. Diese Sonderklasse führte der US-Astronom Paul W. Merrill 1922 in das ursprüngliche Harvard-System der Spektralklassifikation ein, weil manche rote Riesensterne mit ihren kühlen Atmosphären solche Auffälligkeiten im Spektrum zeigten.

Eine weitere Besonderheit im Spektrum von R Andromedae lieferte Anfang der 1950er Jahre wichtige Erkenntnisse über die Nukleosynthese, also die Entstehung von chemischen Elementen in Sternen. Merrill und seine Mitarbeiter hatten an den Großteleskopen der Mount Wilson and Palomar Observatories Spektren mit hoher Auflösung aufgenommen. Darin fanden sich neben den Absorptionslinien von schweren Elementen wie Zirkon und Barium auch solche, die von Technetium erzeugt wurden. Dieser Befund erstaunte, denn alle auf der Erde bekannten Isotope dieses Elements sind instabil. Einige der Technetium-Isotope sind bereits nach nur wenigen Stunden zur Hälfte zerfallen. Das Isotop Technetium-98 hat mit immerhin 4,2 Millionen Jahren die längste Halbwertszeit.

Technetium war erst im Jahr 1937 eindeutig nachgewiesen worden, und zwar in einer Materialprobe, die in einem Teilchenbeschleuniger mit Neutronen beschossen worden war. Technetium war damit das erste künstlich hergestellte Element, und seine Entdeckung schloss eine Lücke, die bis dahin im Periodensystem der Elemente geklafft hatte. Im Jahr 1950 untersuchte eine Arbeitsgruppe am National Bureau of Standards in den USA die spektralen Eigenschaften von Technetium, so dass den Astronomen die genauen Wellenlängen der Spektrallinien zur Verfügung standen.

Der s-Prozess

Was bedeutete nun der spektroskopische Nachweis von Technetium in den Atmosphären kühler Riesensterne? Eine Halbwertszeit im Bereich von Millionen Jahren mag uns lang erscheinen, doch verglichen mit dem hohen Alter der bereits weit entwickelten Riesensterne ist sie sehr kurz. Wäre Technetium bereits im Ausgangsmaterial enthalten gewesen, aus dem diese Sterne einst entstanden, wäre es zum Zeitpunkt der Beobachtung längst zerfallen. Also musste es einen Mechanismus geben, der in den Riesensternen Technetium erzeugt. Bis zum Zeitpunkt dieser Beobachtung war nur bekannt, dass Sterne ihre Energie aus der Verschmelzung von leichten Atomkernen beziehen, wobei Elemente wie Helium, Sauerstoff und Kohlenstoff bis hin zum Eisen entstehen. Der Nachweis von Technetium war nun ein direkter Beleg dafür, dass Sterne auch Elemente schwerer als Eisen aufbauen können. Der dafür verantwortliche Prozess  ist der langsame Einfang von Neutronen, von den Physikern s-Prozess genannt. Dabei steht das „s“ für slow, das englische Wort für langsam.

In dem späten Entwicklungsstadium der veränderlichen Riesensterne, das sich physikalisch durch recht moderate Temperaturen und Dichten auszeichnet, liegen genau die Bedingungen vor, die den Aufbau von schweren Elementen über den s-Prozess erlauben. Zunächst fängt ein Atomkern ein einzelnes Neutron ein. Dadurch entsteht ein schwereres Isotop des gleichen Elements. das aber wegen des Neutronenüberschusses in der Regel instabil ist. Über den anschließenden Betazerfall eines Neutrons wandelt sich dieses in ein Proton um, das im Kern verbleibt und nun die Ordnungszahl des Kerns um eins erhöht. Aus dem ursprünglichen Element ist also ein neues Element mit der nächsthöheren Ordnungszahl geworden. Das beim Betazerfall ebenfalls gebildete Elektron wird aus dem Kern ausgestoßen, ebenso wie ein Neutrino, das sogar mit Lichtgeschwindigkeit den Stern verlässt und ins All entweicht.

Kennzeichen des s-Prozesses ist, dass die mittlere Zeit, die bis zum Einfang eines weiteren Neutrons vergeht, länger ist als die Zeit, die das instabile Isotop braucht, um durch Betazerfall in einen stabilen Atomkern überzugehen. Die dafür nötigen Bedingungen liegen in den kühlen Riesensternen geringer Dichte vor. Im Gegensatz zu diesem langsamen Neutroneneinfang gibt es auch einen schnellen Neutroneneinfang (r-Prozess genannt nach Engl. rapid), der allerdings nur bei sehr hohen Neutronendichten in einer speziellen Art von Supernova auftritt.

Quellen: