Veränderliche Sterne

Der Mirastern R Centauri: Sternentwicklung in Echtzeit verfolgen

Weiß und blau leuchten die hellen Sterne Alpha und Beta Centauri, während der markierte Stern R zwischen ihnen rötlich glimmt.

Während die hellen Sterne Alpha und Beta Centauri weiß und blau leuchten, glimmen die Sterne R und V766 Centauri in ihrer Umgebung in rötlichem Licht. (Bild: Uwe Reichert)

Die aus zahlreichen Einzelbeobachtungen erstellte Lichtkurve zeigt die extremen Helligkeitsschwankungen des Mirasterns R Centauri

Lichtkurve des Mira-Veränderlichen R Centauri von Mai 2020 bis Mai 2022. Die scheinbare Helligkeit des pulsierenden Sterns schwankte in diesem Zeitraum mit einer Periode von etwa 500 Tagen zwischen 6 mag und 9 mag. Jeder Messpunkt in dieser Lichtkurve entspricht einer visuellen Helligkeitsschätzung eines Amateurastronomen. Die nach rechts laufende Zeitachse ist in Einheiten von Tagen als Julianisches Datum markiert. (Bild: AAVSO)

Die Lichtkurve des Mirasterns R Centauri über einen Zeitraum von zehn Jahren zeigt eine auffällige Struktur aus Doppelmaxima

Über einen Zeitraum von zehn Jahren zeigt die Lichtkurve des Mira-Veränderlichen R Centauri eine auffällige Struktur aus Doppelmaxima. Die beobachteten Werte (Punkte) lassen sich durch Überlagerung zweier Perioden der Länge 499 und 250 Tage anpassen (durchgezogene Kurve). Die nach rechts laufende Zeitachse ist in Einheiten von Tagen als Julianisches Datum markiert. (Bild: N. Vogt et al., 2016 ApJS 227 6)

 Name:
 R Centauri
 andere Bezeichnungen:
 HD 124601, HIP 69754, HR 5326
 Objekttyp:
 Pulsationsveränderlicher vom Mira-Typ
 Sternbild:
 Kentaur
 Position (J2000.0):
 α = 14h 16m 34,3s, δ = −59° 54′ 49,3″
 scheinbare Helligkeit:
 5,2 – 11,5 mag
 Periode:
 500 Tage
 Spektralklasse:
 M4e – M9,5 (M5IIe)
 Entfernung:
 900 pc = 3000 Lj
Umgebungskarte des Sterns R Centauri mit schwarzen Sternen auf weißem Grund

Die Umgebung des Mira-Veränderlichen R Centauri (Fadenkreuz in der Bildmitte). Die Zahlen sind Helligkeiten von geeigneten Vergleichssternen in Magnituden, wobei das Komma bzw. der Dezimalpunkt weggelassen wurde, um Verwechslungen mit Sternen zu vermeiden. Beispiel: 107 = 10,7 mag. Die Kantenlänge des gezeigten Himmelsausschnitts ist 1°. (Bild: AAVSO)

Quellen:

  • G. Hawkins et al.: Stellar R Centauri: An Unusual Mira Variable in a He-Shell Flash. In: The Publications of the Astronomical Society of the Pacific 113, S. 501-506 (2001); DOI: 10.1086/319542
  • W.S.G. Walker und J. Greeves: R Centauri at Millenium’s End. In: The Journal of the American Association of Variable Star Observers 29, S. 105 (2001) (Abstract und PDF)
  • S. Uttenthaler: Period – mass-loss-rate relation of Miras with and without technetium. In: Astronomy & Astrophysics 556, A38 (2013); DOI: 10.1051/0004-6361/201321196
  • S. Uttenthaler et al.: Interplay between pulsation, mass loss, and third dredge-up: More Miras with and without technetium. In: Astronomy & Astrophysics 662, A120 (2019); DOI: 10.1051/0004-6361/201833794
  • N. Vogt: Determination of Pulsation Periods and other Parameters of 2875 Stars classified as Mira in the All Sky Automated Survey (ASA). In: The Astrophysical Journal Supplement Series 227, 6 (2016); DOI: 10.3847/0067-0049/227/1/6
  • I. Iben, jr.: Stellar Evolution Physics, Band 1: Physical Processes in Stellar Interiors. Cambridge University Press 2013

R Centauri ist ein langperiodischer Pulsationsveränderlicher des Mira-Typs im Sternbild Kentaur mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Dieser Riesenstern befindet sich in einer Entwicklungsphase, die seinen Zustand und sein Verhalten verändern – und zwar auf einer Zeitskala von wenigen Jahren. R Centauri ist damit einer der seltenen Fälle, in denen sich innerhalb eines Menschenlebens  Veränderungen an einem Stern feststellen lassen – Sternentwicklung in Echtzeit sozusagen.

Ungewöhnliches Erscheinungsbild

Wir finden den Mirastern R Centauri im südöstlichen Bereich des Sternbilds Kentaur, im gleichen Areal wie die hellen Sterne Alpha und Beta Centauri (α und β Cen). Im Fernglas und auf Fotografien erscheint er rötlich. Dieser rote Riesenstern ist 3000 Lichtjahre von uns entfernt und gehört wegen seiner geringen Oberflächentemperatur von rund 3500 Kelvin zur Spektralklasse M.

Im Visuellen schwankt die scheinbare Helligkeit von R Centauri zwischen einem Maximalwert von 5,2 mag und einem Minimalwert von 11,8 mag. Die Periode dieser Schwankung ist jedoch nicht konstant: Seit der Entdeckung des Sterns vor rund 150 Jahren hat die Periode um mehr als zehn Prozent abgenommen – von 568 Tagen Ende des 19. Jahrhunderts auf aktuell nur noch 500 Tage. Auch die Amplitude, also der Betrag der Helligkeitsänderung, hat sich verändert – sie beträgt jetzt nur noch etwa 3,5 Magnituden, und nicht mehr 6,5 Magnituden. Die Leuchtkraft des Sterns schwankt somit nur noch um den Faktor 25, und nicht mehr um den Faktor 400, wie noch vor wenigen Jahrzehnten.

Die Lichtkurve zeigt zudem innerhalb einer Periode zwei Maxima und zwei Minima: Statt nach dem Durchlaufen des Maximalwerts kontinuierlich auf ihren niedrigsten Wert abzusinken, steigt die Helligkeit noch einmal auf ein Zwischenmaximum an. Auf ein hohes Maximum folgt also ein erstes, hohes Minimum, dem wiederum ein zweites, niedriges Maximum und ein zweites, sehr tiefes Minimum folgen. In den letzten Jahren allerdings haben sich die Werte der Minima einander angeglichen. Die scheinbare Helligkeit von R Centauri  fällt nun kaum noch unter 9 mag.

Seine letzten Helligkeitsmaxima erreichte R Centauri Ende August 2020 (6,2 mag), im Mai 2021 (7,1 mag) und im Dezember 2021 (6,6 mag). Wer selbst Veränderliche am Südhimmel beobachten möchte, findet in diesem Mirastern ein lohnendes und vor allem wissenschaftlich äußerst interessantes Objekt. Die folgenden Abschnitte diskutieren die möglichen Ursachen des eigentümlichen Verhaltens.

Warum verhält sich R Centauri so eigentümlich?

Jeder Mirastern zeigt von Zyklus zu Zyklus leichte Schwankungen von Pulsationsperiode und Amplitude der Helligkeitsschwankung. Doch bei R Centauri ist auffällig, dass seine Periode seit 1950 kontinuierlich abnimmt: Pro Jahr verkürzt sich seine Periode um einen Tag. Im gleichen Zeitraum ist die Amplitude der Pulsation deutlich kleiner geworden. Was sind die möglichen Ursachen?

Eine Hypothese: In R Centauri überlagern sich zwei verschiedene Moden der Pulsation, und der Stern ist gerade dabei, sein Verhalten zu ändern. Während Mirasterne stets mit der Grundfrequenz pulsieren, könnte in R Centauri bald eine Oberschwingung die dominierende Pulsation sein. Dann wäre der Stern im Begriff, sich von einem Veränderlichen des Mira-Typs zu einem halbregelmäßigen Veränderlichen zu entwickeln. Das beobachtete Doppelmaximum in der Lichtkurve – bei Mirasternen sehr selten – lässt sich immerhin mit zwei unterschiedlichen Pulsationsperioden von rund 500 und 250 Tagen modellieren. Für eine dominierende Periode um 500 Tage spricht allerdings der Umstand, dass jeweils kurz vor dem hohen Maximum der Farbindex BV  kleinere Werte annimmt als im übrigen Teil des Zyklus – der Stern wechselt also eindeutig zwischen „blauen“ und „roten“ Maxima. Noch scheint also die Grundschwingung die maßgebende Pulsationsdauer zu sein.

R Centauri: Ein AGB-Stern mit Helium-Blitz

In der wissenschaftlichen Literatur wird aber eine andere Ursache als wahrscheinlicher angesehen: R Centauri könnte sich gerade in einer sehr kurzen Entwicklungsphase befinden, in der ein sogenannter Helium-Blitz die Vorgänge im Inneren des Sterns und damit auch sein Schwingungsverhalten verändert.

Als Mirastern gehört R Centauri zu den Roten Riesen mittlerer Masse, die in ihrer Entwicklung weit fortgeschritten sind. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm (kurz: HRD), das Astronomen heranziehen, um Sterne verschiedener Entwicklungsstufen zu vergleichen, liegen Mirasterne auf dem asymptotischen Riesenast (englisch: Asymptotic Giant Branch, AGB). In diesem AGB-Stadium haben die Sterne die höchste Leuchtkraft in ihrem stellaren Dasein erreicht. Die äußere, stark aufgeblähte Gashülle hat eine relativ geringe Dichte und eine niedrige Temperatur. Schwankungen in den Zustandsgrößen dieser Gashülle führen zu den beobachteten Helligkeitsänderungen der Mirasterne.

Im Zentralbereich eines AGB-Sterns ist aller Wasserstoff und fast alles Helium verbraucht; dort haben sich überwiegend Kohlenstoff und Sauerstoff als „Asche“ der Heliumverbrennung angesammelt. Die Energiefreisetzung über die Fusion von leichten Atomkernen hat sich nun in zwei äußere Schalen verlagert – in eine dünne Schale mit Heliumbrennen und eine weitere mit Wasserstoffbrennen (siehe den Infokasten „Kurz erklärt: AGB-Sterne“ weiter unten). Wie dies im Detail abläuft, erklärt letztlich das Verhalten von R Centauri.

Explosionsartige Zündung der Heliumfusion

Die meiste Zeit verbringt ein AGB-Stern in einer Phase, in der er seine Energie überwiegend aus der Fusion von Wasserstoff in der schalenförmigen äußeren Brennzone bezieht. Nur in periodischen Abständen, wenn sich wieder genügend Helium als Produkt der Wasserstofffusion über dem Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern angesammelt hat, zündet das Heliumbrennen wieder neu, und zwar explosionsartig. Den zeitlichen Abstand zwischen solchen Zündungen schätzen die Astronomen auf 10.000 bis 100.000 Jahre.

Das explosionsartige Einsetzen der Heliumfusion – Heliumblitz genannt – erhöht die Temperatur in der dünnen Schale des Heliumbrennens abrupt. Die Folge ist ein thermischer Puls, der durch die oberen Schichten des Sterns läuft. Dieser hat Auswirkungen auf das Ausdehnungsverhalten und die Leuchtkraft des Sterns. So bringt er die Fusion von Wasserstoff in der äußeren Brennzone zum Erliegen, weil durch die Expansion der Hülle die Dichte und die Temperatur unter die kritische Schwelle sinken. Dadurch sinkt die Leuchtkraft des Sterns rapide. Erst wenn die in der Heliumbrennzone erzeugte Energie durch die viel langsameren Diffusionsprozesse an die Oberfläche gelangt, was Jahre dauert, steigt die Leuchtkraft wieder.

Im Lauf von wenigen Hundert Jahren ebbt die Energieerzeugung in der Heliumschicht wieder ab, weil einerseits Helium verbraucht, andererseits aber kein Helium aus der ehemaligen Wasserstoffbrennzone nachgeliefert wird. Nun können die Dichte und die Temperatur in der äußeren Gashülle wieder steigen, bis erneut die kritischen Werte für die Wasserstofffusion erreicht werden. Nun schließlich übernimmt wieder die Wasserstoffbrennschicht den Großteil der Energieerzeugung, und der Zyklus beginnt von Neuem.

R Centauri: Periodenverkürzung durch Helium-Blitz?

Die Astronomen können zwar nicht in das Innere von R Centauri hineinschauen. Aber aus Modellrechnungen geht hervor, dass ein von einem Heliumblitz oberhalb des Kohlenstoff-Sauerstoff-Kerns ausgelöster thermischer Puls über einen langen Zeitraum hinweg die Leuchtkraft und die Massenverlustrate eines AGB-Sterns verändert. Beide Veränderungen wirken sich entscheidend auf die Periodendauer der Pulsationen aus.

Demnach könnte sich R Centauri in der Phase unmittelbar nach Zündung eines Helium-Blitzes in einer dünnen Schale um den Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern befinden. Oder wir sehen den Stern in einer Phase wenige Hundert Jahre später, nachdem die beim Helium-Blitz freigesetzte Energie durch Diffusionsprozesse die Oberfläche des Sterns erreicht hat.

Eine genauere Eingrenzung wird wohl erst möglich sein, wenn die Masse von R Centauri genauer bekannt ist. Denn diese geht als wichtige Größe in die Modellrechnungen ein. Unterdessen liefern Beobachtungen der Lichtkurve von R Centauri weitere essenzielle Daten, um auf das physikalische Verhalten dieses eigentümlichen Mirasterns rückschließen zu können.

R Centauri ist damit ein eindrucksvolles Beispiel, wie die von Amateurastronomen über lange Zeiträume hinweg gesammelten Helligkeitsdaten von veränderlichen Sternen zur astrophysikalischen Forschung beitragen.

Kurz erklärt: AGB-Sterne

Name: Ein AGB-Stern ist ein weit entwickelter Stern mittlerer Masse, der sich zu einem Riesenstern hoher Leuchtkraft aufgebläht hat. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm (kurz: HRD) liegen diese Sterne auf dem namensgebenden asymptotischen Riesenast (englisch: Asymptotic Giant Branch, AGB).

Alternierendes Schalenbrennen: Solche AGB-Sterne befinden sich in einem besonderen Entwicklungsstadium, das – je nach Anfangsmasse des Sterns – einige Hunderttausend bis einige Millionen Jahre dauert. Im Zentralbereich des Sterns hat sich überwiegend Kohlenstoff und Sauerstoff als „Asche“ der Heliumverbrennung angesammelt. Die Energiefreisetzung über die Fusion von leichten Atomkernen findet nun alternierend in zwei äußeren Schalen statt – in einer mit Heliumbrennen (etwa 10 % der Zeit) und einer mit Wasserstoffbrennen (etwa 90 % der Zeit).

Heliumblitz: In der Wasserstoff-Brennphase sammelt sich als Fusionsprodukt Helium über dem Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern an. Erreicht diese Helium-Schicht kritische Werte von Masse, Dichte und Temperatur, zündet die Helium-Brennphase explosionsartig. Durch die starke Aufheizung erhöht sich der Druck in der Heliumschicht, die nun die darüberliegenden Gasmassen nach außen drückt. Die Gashülle expandiert, kühlt sich dabei ab und die Wasserstofffusion in der äußeren schalenförmigen Brennzone erlischt.

Kontraktion und erneutes Wasserstoffbrennen: Es folgt nun eine Phase, in welcher der Stern seine Energie hauptsächlich durch die Fusion von Helium in einer dünnen Schicht bezieht. Dieser Prozess sammelt weiteren Kohlenstoff und Sauerstoff auf der Oberfläche des Kerns an, während kein frisches Helium von oben nachgeliefert wird. Infolgedessen klingt die Heliumfusion exponentiell ab. Durch die nachlassende Energieproduktion zieht sich die äußere Hülle wieder stärker zusammen, was es der Wasserstoffzone erneut erlaubt, die kritischen Werte für die Fusion von Wasserstoff zu erreichen.

Merkmale von AGB-Sternen: Das physikalische Verhalten von AGB-Sternen ist im Wesentlichen durch drei Vorgänge geprägt:

  1. Ihre äußere Gashülle pulsiert stark, dehnt sich also abwechselnd aus und zieht sich wieder zusammen, was mit Veränderungen von Temperatur und Leuchtkraft einhergeht. Diese Pulsationen führen zu den beobachteten langperiodischen Helligkeitsänderungen der Mirasterne.
  2. Die im Inneren durch Nukleosynthese entstandenen Elemente vermischen sich durch Gasströmungen im Stern und gelangen bis an die Oberfläche.
  3. Wegen des großen Durchmessers des Sterns und der geringen Dichte der äußeren Gashülle strömt viel Materie als Sternwind in den interstellaren Raum. Auf diese Weise reichern AGB-Sterne die interstellare Materie mit schweren Elementen und Staubpartikeln an.