Veränderliche Sterne

Der Mirastern Chi Cygni

Der Veränderliche Chi Cygni liegt im "Hals des Schwans" zwischen den Sternen Eta und Beta Cygni inmitten eines dichten Sternenfelds der Milchstraße

Der Veränderliche Chi Cygni liegt 2,5° südöstlich des Sterns Eta Cygni inmitten eines dichten Sternfelds der Milchstraße. Nur in zeitlicher Nähe zu einem Helligkeitsmaximum fällt er in dem Sternengewirr auf. (Bild: Uwe Reichert)

Die aus zahlreichen Einzelbeobachtungen erstellte Lichtkurve zeigt die extremen Helligkeitsschwankungen des Mirasterns Chi Cygni

Lichtkurve des Mira-Veränderlichen Chi Cygni (Χ Cyg). Die scheinbare Helligkeit des pulsierenden Sterns schwankt mit einer Periode von 408 Tagen um etwa zehn Magnituden. Während des Maximums ist Chi Cygni mit typischen Helligkeiten zwischen 4 und 5 mag mit freien Augen sichtbar. Im Extremfall kann seine Helligkeit sogar auf 3,3 mag steigen. Während des Minimums sinkt die Helligkeit regelmäßig unter 12 mag und kann sogar auf einen Minimalwert von 14,2 mag fallen. Jeder Messpunkt in dieser Lichtkurve entspricht einer visuellen Helligkeitsschätzung eines Amateurastronomen. (Bild: AAVSO)

 Name:
 Chi Cygni
 andere Bezeichnungen:
Χ Cyg, HD 187796, HIP 97629, HR 7564
 Objekttyp:
 Pulsationsveränderlicher vom Mira-Typ
 Sternbild:
 Cygnus
 Position (J2000.0):
 α = 19h 50m 33,9s, δ = +32° 54′ 50,6″
 scheinbare Helligkeit:
 3,3 – 14,2 mag
Periode:
408,05 Tage
 Spektralklasse:
S6-9/1-2e
 Entfernung:
 160 pc = 520 Lj

Chi Cygni (Χ Cyg) ist ein langperiodischer Pulsationsveränderlicher des Mira-Typs. Wir finden ihn im südwestlichen Bereich des Sternbilds Schwan, etwa 2,5° südwestlich von Eta Cygni (η Cyg) inmitten des Milchstraßenbandes.

Dieser rote Riesenstern ist nach neuesten Messungen des Satelliten Gaia 520 Lichtjahre von uns entfernt; seine scheinbare Helligkeit variiert mit einer Periode von im Mittel 408 Tagen zwischen einem Maximalwert von 3,3 mag und einem Minimalwert von 14,2 mag. Dieser Lichtwechsel über eine Spannbreite von fast elf Magnituden hinweg bedeutet, dass der Stern während seines hellsten Maximums 25 000 Mal heller leuchtet als während seines tiefsten Minimums. Damit zeigt Chi Cygni von allen Mira-Sternen die größten Schwankungen seiner Helligkeit. Entdeckt wurde er übrigens als zweiter Vertreter dieses Veränderlichentyps, und zwar  im Jahr 1686 von Gottfried Kirch. Den Protoyp dieser Pulsationsveränderlichen, Mira im Sternbild Cetus, hatte David Fabricius neunzig Jahre zuvor entdeckt.

Wie bei Mira-Sternen üblich, schwanken die Extremwerte der Helligkeit zwischen benachbarten Zyklen. Zumeist erreicht Chi Cygni eine Maximumshelligkeit zwischen 4 und 5 mag. Dann ist dieser Veränderliche über einen Zeitraum von knapp drei Monaten freiäugig  am Himmel sichtbar, und er sticht mit seiner roten Farbe vor dem Milchstraßenhintergrund heraus. In den Phasen nahe dem Minimum ist Chi Cygni nur mit größeren Amateurteleskopen (ab etwa 30 cm Öffnung) zu sehen. Dann ist es auch schwierig, ihn zu identifizieren, denn er scheint sich im Gewimmel aus ähnlich hellen Sternen der Milchstraße zu verstecken.

Seine letzten Helligkeitsmaxima erreichte Chi Cygni Ende Januar 2020 mit etwa 5,1 mag und Mitte März 2021 mit etwa 4,5 mag (siehe nebenstehende Lichtkurve). Wer selbst den Anstieg der Lichtkurve mit einem Fernglas verfolgen möchte, beginnt mit den Beobachtungen etwa zwei Monate vor dem erwarteten nächsten Maximum. Steht ein Teleskop zur Verfügung, das auch 11 mag helle Sterne erkennen lässt, kann man bereits drei Monate zuvor das entsprechende Sternfeld überwachen. Seine nächsten Helligkeitsmaxima wird der Stern Ende April 2022 und im Juni 2023 erreichen.

Eine Lichtkurve sowie eine Umgebungskarte mit den Helligkeiten von Vergleichssternen für die eigene Beobachtung lässt sich auf der Website der American Association of Variable Star Observers (AAVSO) erstellen und herunterladen. Auch die Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne (BAV) bietet nützliche Informationen an.

Eine Karte zeigt die Umgebung des  veränderlichen Sterns Chi Cygni mit schwarzem Sternen auf weißem Hintergrund. Die Helligkeiten einiger Vergleichssterne sind in Einheiten von Zehntel Magnituden markiert.

Umgebungskarten dieser Art lassen sich auf der Website der AAVSO für Chi Cygni und andere veränderliche Sterne erstellen. In einer Eingabemaske wählt man unter anderem den Sternnamen, die Größe des gewünschten Himmelsausschnitts und die Grenzgröße der Sterne aus. In der hier gezeigten Karte ist Norden oben und Osten links; die Orientierung lässt sich auch für die Beobachtung am spiegelverkehrt abbildenden astronomischen Fernrohr einstellen. Die Helligkeiten von geeigneten Vergleichssternen sind in den Karten in Einheiten von Zehntel Magnituden angegeben. So bedeutet z.B. die „75“ eine visuelle Helligkeit von 7,5 mag. Dieser hellste Stern auf der Karte ist HD 187503; das Gesichtsfeld der Karte beträgt 1°. Die Notation in Zehntel Magnituden wird gewählt, um eine Verwechslung des Dezimalpunkts mit einem Stern zu vermeiden. (Bild: AAVSO)

P Cygni – ein Leuchtkräftiger Blauer Veränderlicher

Der Veränderliche P Cygni liegt zwischen dem Sternhaufen M29 und dem Sichelnebel NGC6888

Der Veränderliche P Cygni liegt 2,3° südöstlich des Sterns Gamma Cygni, zwischen dem offenen Sternhaufen M 29 und dem als Sichelnebel bekannten Emissionsnebel NGC 6888. Die mit einem Quadrat markierte Umgebung von P Cygni ist in der Karte unten vergrößert dargestellt. Die Kantenlänge des Quadrats beträgt 1°. (Bild: Uwe Reichert)

Eine Karte zeigt die Umgebung des veränderlichen Sterns P Cygni mit schwarzen Sternen auf weißem Hintergrund.

Umgebungskarte für den Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen P Cygni, dessen Position in der Bildmitte mit einem Fadenkreuz gekennzeichnet ist. Das Gesichtsfeld der Karte beträgt 1°. Hellster Stern im Bild rechts oberhalb von P Cygni ist HD 193183 (HIP 100009) mit einer scheinbaren Helligkeit von 7,0 mag. In der Karte ist Norden oben und Osten links. (Bild: AAVSO)

 Name:
 P Cygni
 andere Bezeichnungen:
 34 Cyg, HD 193237, HIP 100044, HR 7763
 Objekttyp:
 Leuchtkräftiger Blauer Veränderlicher
 Sternbild:
 Cygnus
 Position (J2000.0):
 α = 20h 17m 47,2s, δ = +38° 01′ 58,6″
 scheinbare Helligkeit:
∼4,8 mag (3-6 mag)
Periode:
 Spektralklasse:
 B1-2Ia-0ep
 Entfernung:
 1600 pc = 5200 Lj
 Masse:
 37 Sonnenmassen
 Radius:
 76 Sonnenradien
 Oberflächentemperatur:
 18 700 Kelvin
 Leuchtkraft:
 610 000 Sonnenleuchtkräfte

P Cygni ist einer der merkwürdigsten Sterne am Himmel. Er ist ein Hyperriese und zählt zu der seltenen Klasse der Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen (LBV), die nach einem bekannten Vertreter in der Großen Magellanschen Wolke auch S-Doradus-Sterne genannt werden. LBV-Sterne haben die größte Masse, die ein hydrostatisch stabiler Stern haben kann, und sie strahlen während einer kurzen Phase ihrer Entwicklung, die nur wenige zehntausend Jahre anhält, millionenfach heller als unsere Sonne. Dabei verlieren sie beständig Masse durch einen heftigen Sternwind und pulsieren in mehreren Moden gleichzeitig. Deshalb ändert sich ihre Helligkeit in unvorhersagbarer Weise. Diese Zuckungen sind Vorboten einer Instabilität, und LBV-Sterne können sich zu Wolf-Rayet-Sternen weiterentwickeln oder als Supernovae explodieren.

Bisher sind nur wenige Sterne bekannt, die zur Klasse der Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen gehören. Neben P Cygni und dem bereits erwähnten S Doradus sind dies zum Beispiel Eta Carinae im Sternbild Kiel des Schiffes, der sogenannte Pistolenstern und das Doppelsternsystem LBV 1806-20 im Sternbild Schütze. Auch bei Deneb (Alpha Cygni), dem hellsten Stern im Schwan, wurde diskutiert, ob er ein LBV-Stern ist. Letztlich hängt die genaue Definition davon ab, bei welcher Sternmasse und welcher Art von Variabilität man die Grenze zwischen verschiedenen Klassen zieht. Seit 1985 zählt Deneb als Prototyp der Alpha-Cygni-Sterne.

Ein neuer Stern mit ungewöhnlichem Verhalten

P Cygni war bis zum Ende des 16. Jahrhunderts völlig unbekannt. Der niederländische Kartograf und Globenhersteller Willem Janszoon Blaeu (1571 – 1638), der bei Tycho Brahe Astronomie gelernt hatte, entdeckte den Stern am 18. August 1600 als Objekt dritter Magnitude. Sechs Jahre lang blieb diese Helligkeit recht konstant. Die Astronomen jener Zeit stuften das Objekt als „neuen Stern“, als Nova ein. Bis dahin war der Stern erst der dritte bekannte Veränderliche am Fixsternhimmel – nach Tychos Supernova des Jahres 1574 und dem Stern Mira (Omikron Ceti), den David Fabricius (1564 – 1617) im Jahr 1596 entdeckt hatte. Entsprechend sorgte das außergewöhnliche „neue“ Objekt für Aufsehen. Diese Besonderheit mag auch der Grund gewesen sein, weshalb Johann Bayer (1572 – 1625) in seinem 1603 erschienenen Himmelsatlas, der Uranometria, dem Stern die Bezeichnung P Cygni gab, die außerhalb seiner regulären Nomenklatur steht.

Die Lichtkurve von P Cygni verlief weder typisch für Novae noch für andere Veränderliche. Nach einer ersten Maximumphase nahm die Helligkeit von P Cygni wieder ab, bis der Stern ab 1626 nicht mehr mit bloßen Augen zu sehen war. Im Jahre 1654 stieg die Helligkeit erneut auf die 3. Magnitude an, verharrte dort bis 1659, fing dann zu schwanken an und sank ab 1683 langsam ab, bis sie hundert Jahre später einen Wert von 5,2 mag erreicht hatte. Ab Ende des 19. Jahrhunderts schließlich stieg die Helligkeit langsam auf den heutigen Wert von 4,8 mag an.

Namensgeber der P-Cygni-Profile

Was sich hinter diesem seltsamen Verhalten verbirgt, erschloss sich erst mit den modernen Verfahren der Astrophysik – und ist bis heute Gegenstand intensiver Forschungen. Bereits die ersten Spektren – 1897 von Antonia C. Maury und Edward C. Pickering aufgenommen – zeigten ein auffälliges Merkmal, das heute als P-Cygni-Profil bezeichnet wird: Den breiten Emissionslinien im Spektrum schließt sich jeweils an deren kurzwelliger Seite eine blauverschobene schmalere Absorptionslinie an. Ursprünglich interpretierten Astronomen ein solches Profil als Überlagerung zweier verschiedener Spektrallinien. Erst ab 1930 wurde verstanden, dass das P-Cygni-Profil auf ein- und dieselbe Spektrallinie zurückzuführen ist, die sowohl in Emission als auch in Absorption auftritt. Ursache ist ein starker Sternwind, also Gas, das mit hoher Geschwindigkeit vom Stern wegströmt (siehe Infokasten).

Solche starken Sternwinde sind Kennzeichen sehr massereicher Sterne, die sich in späteren Phasen ihrer Entwicklung zu enormen Riesen aufgebläht haben. In ihnen läuft die Fusion von Atomkernen nicht mehr im Zentralbereich, sondern schalenförmig in weiter außen gelegenen Hüllen ab. Wegen der enormen Ausdehnung des Sterns und der daraus folgenden geringen Dichte und Schwerkraft in seinen äußeren Zonen verliert der Stern einen nennenswerten Anteil seiner ursprünglichen Masse. Diese Entwicklungsstadien gehören zu den noch am wenigsten verstandenen Phasen in der Entwicklung sehr massereicher Sterne. Die Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen sind hier wichtige Bindeglieder, um die Evolution von massereichen, heißen Sternen des Spektraltyps O hin zu Wolf-Rayet-Sternen und zu Kernkollaps-Supernovae besser zu verstehen.

Quellen:

Kurz erklärt: Wie ein P-Cygni-Profil entsteht

Sterne, von deren Oberfläche Gas mit hoher Geschwindigkeit wegströmt, entweder als Sternwind oder als expandierende Hülle, zeigen ein auffälliges Merkmal in ihren Spektren: Zusätzlich zur kontinuierlichen Strahlung, die von der Sternoberfläche ausgeht, treten Spektrallinien sowohl in Emission als auch in Absorption auf, wobei jeweils die Absorptionslinie gegenüber der Emissionslinie zu kürzeren Wellenlängen (also zum blauen Ende des Spektrums hin) verschoben ist. Diese Blauverschiebung ist auf Gas zurückzuführen, das sich vom Stern genau auf der Sichtlinie zum irdischen Beobachter hin bewegt. Der Betrag der Blauverschiebung ist dabei ein Maß für die Strömungsgeschwindigkeit des Sternwinds beziehungsweise die Expansionsgeschwindigkeit der Gashülle.

Nach dem Stern P Cygni, bei dem diese Besonderheit erstmals beobachtet wurde, ist dieses spektrale Profil benannt. Das P-Cygni-Profil mit seiner typischen Doppelstruktur aus breiter Emissionslinie und schmaler Absorptionslinie entsteht im wegströmenden Gas. Atome in der expandierenden Hülle werden von der Strahlung des heißen Sterns zum Leuchten angeregt. Da sich dieses Gas in alle Richtungen bewegt (also zu etwa gleichen Teilen von uns weg, auf uns zu und seitlich zur Sichtlinie), erscheinen die entstehenden Emissionslinien verbreitert, haben aber eine unverschobene Wellenlänge. Derjenige Teil der Hülle, der sich von uns aus gesehen vor der Sternscheibe befindet und sich auf uns zu bewegt, emittiert ebenfalls Linienstrahlung, aber noch viel mehr absorbiert er die kontinuierliche Strahlung von der Sternoberfläche. Insgesamt entsteht also eine Absorptionslinie. Da sich das absorbierende Gas mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu bewegt, ist die Absorptionslinie aufgrund des Dopplereffekts blauverschoben.

(Bild: Uwe Reichert, nach: G. Israelian und M. de Groot, Space Science Reviews 90,  493-522 (1999))

Ein P-Cygni-Profil im Spektrum besteht aus einer unverschobenen breiten Emissionslinie und einer zu kleineren Wellenlängen verschobenen schmaleren Absorptionslinie