Galaxien

Die spindelförmige Galaxie NGC 3115

Aufnahme der Galaxie NGC 3115 mit dem Hubble-Weltraumteleskop

Komposit-Aufnahme der Galaxie NGC 3115, gewonnen aus verschiedenen Einzelaufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops im sichtbaren und infraroten Licht. (Bild: NASA, ESA, and J. Erwin (University of Alabama); Processing: Gladys Kober (NASA/Catholic University of America)

Optische Aufnahme der Galaxie NGC 3115 (orange), überlagert mit einer Röntgenaufnahme des Chandra-Weltraumteleskops (blau)

Dieses Kompositbild der Galaxie NGC 3115 ist eine Überlagerung einer optischen Aufnahme (orange), gewonnen mit dem Very Large Telescope der ESO, und einer Aufnahme im Röntgenlicht (blau), erstellt vom Weltraumteleskop Chandra (Bild: NASA/CXC/University of Alabama/K.Wong et al./ESO/VLT)

 Name:
 NGC 3115
 andere Bezeichnungen:
 UGCA 199, Caldwell 53
 Objekttyp:
 Spiralgalaxie S0
 Sternbild:
 Sextant
 Position (J2000.0):
 α = 10h 05m 13,9s, δ = -07° 43′ 07,0″
 scheinbare Helligkeit:
 9,9 mag
 Winkeldurchmesser:
 7,8′ × 4,0′
 Entfernung:
 ca. 10,2 Mpc = 33 Millionen Lj
Der Sextant ist ein unauffälliges Sternbild am Himmelsäquator, in dem sich unter anderem die Spindelgalaxie NGC 3115 befindet

Die Galaxie NGC 3115 liegt im südlichen Bereich des Sternbilds Sextant. (Bild: Uwe Reichert)

NGC 3115 ist eine linsenförmig erscheinende Galaxie im Sternbild Sextant (Sextans). Da wir direkt auf die Kante dieser Spiralgalaxie blicken, sind keine Spiralarme erkennbar, sondern nur die ausgeprägte Scheibe und eine kleine Aufwölbung, der so genannte Bulge, im Zentrum des Sternsystems. Die Galaxie enthält praktisch nur alte Sterne. Neue Sterne entstehen nicht, weil fast das gesamte dafür benötigte Gasmaterial aufgebraucht ist.

Mit einer scheinbaren Helligkeit von 9,9 mag gehört NGC 3115 zu den helleren Galaxien am Himmel, so dass ihre spindelförmige Form und ihre helle Zentralregion schon mit einem kleinen Teleskop zu erkennen sind. Wegen ihrer Form wird sie gelegentlich Spindelgalaxie genannt. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht eindeutig: Auch andere Galaxien werden so bezeichnet, allen voran die Galaxie Messier 102 (NGC 5866) im Sternbild Drache (Draco).

Helle S0-Galaxie mit extrem massereichem Schwarzem Loch

Aufgrund ihres linsenförmigen Erscheinungsbilds gehört NGC 3115 zum morphologischen Typ der S0-Galaxien. Der Astronom Edwin Hubble, der diese Klassifikation 1926 einführte, betrachtete den Typ S0 als Bindeglied zwischen spiralförmigen und elliptischen Galaxien, weil sie Merkmale von beiden Galaxienarten aufweisen: Einerseits verfügen sie über eine Scheibe und eine zentrale Aufwölbung, den Bulge, wie bei Spiralgalaxien üblich; andererseits fehlen – wie bei elliptischen Systemen – erkennbare Spiralarme.

Wie solche S0-Galaxien entstanden sind, ist noch Gegenstand der aktuellen Forschung. Mit einer Entfernung von etwa 33 Millionen Lichtjahren ist NGC 3115 eine der nächsten und hellsten Galaxien dieses Typs. Zugleich ist NGC 3115 die uns nächste Galaxie, die ein extrem massereiches Schwarzes Loch in der Größenordnung von der milliardenfachen Masse unserer Sonne im Zentrum enthält.

Wie das Schwarze Loch im Zentrum „gewogen“ wurde

Bereits optische Beobachtungen hatten in den 1990er Jahren Indizien für ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum von NGC 3115 ergeben. Ein weiterer Nachweis gelang durch die Beobachtung von heißem Gas, das in Richtung des aktiven galaktischen Kerns dieser Galaxie strömt. Mit dem Weltraumteleskop Chandra registrierten Wisenschaftler die Röntgenstrahlung, aus deren Intensität sich die Temperatur des Gases ableiten lässt.

In nebenstehendem Bild, das eine Überlagerung von sichtbarem Licht und Röntgenstrahlung darstellt, ist die Röntgenstrahlung blau codiert. Die punktförmigen Röntgenquellen im Bild sind zumeist enge Doppelsternsysteme, in denen Gas von einer Komponente auf ein stellares Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern überströmt und sich dabei stark erhitzt. Die Ausschnittvergrößerung zeigt den Kernbereich der Galaxie in der Umgebung des zentralen Schwarzen Lochs in hoher Auflösung. An der Position des Schwarzen Lochs ist keine Punktquelle erkennbar; vielmehr zeigt sich ein diffuser Schleier, der durch die Überlagerung der Röntgenstrahlung von verteiltem heißen Gas und von nicht aufgelösten Doppelsternen herrührt.

Eine genaue Analyse der von der Gaskomponente emittierten Röntgenstrahlung ergab, dass sich das in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs strömende Gas in einer Entfernung von etwa 700 LIchtjahren vom Zentrum stark erhitzt. Daraus leiteten die Astronomen für die Masse des Schwarzen Lochs einen Wert von rund zwei Milliarden Sonnenmassen ab. Durch den Gaszustrom gewinnt das zentrale Schwarze Loch pro Jahr etwa 0,02 Sonnenmassen hinzu. Die Aktivität in der Umgebung des extrem massereichen Schwarzen Lochs ist derzeit also recht gering; in der Vergangenheit muss deutlich mehr Gas eingeströmt sein.

Herausforderung für Amateurastronomen

Für Astrofotografen ist NGC 3115 ein beliebtes Objekt, das aber lange Gesamtbelichtungszeiten erfordert, um auch Details in den Außenbereichen der Galaxie herauszuarbeiten. Zugleich dürfen die Einzelbelichtungen nicht zu lang sein, damit der kleine Kern der Galaxie nicht überbelichtet wird.

Gelungene Aufnahmen dieser spindelförmigen Galaxie stammen z.B. von Gregg L. Ruppel, Luiz Ricardo Silveira, Mel Schick und Oleksii Semeshchuk.

Quellen:

  • Maria Luisa Buzzo et al.: Recovering the origins of the lenticular galaxy NGC 3115 using multi-band imaging. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 504, S. 2146-2167 (2021). DOI: 10.1093/mnras/stab941
  • Arianna Dolfi et al.: The assembly history of the nearest S0 galaxy NGC 3115 from its kinematics out to six half.light radii. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 495, S. 1321-1339 (2020). DOI: 10.1093/mnras/staa1080
  • I.D. Karachentsev et al.: Around the Spindle Galaxy: The Dark Halo Mass of NGC 3115. In: The Astronomical Journal 16:234 (2022) DOI: 10.3847/1538-3881/ac5ab5
  • Ka-Wah Wong et al.: Resolving the Bondi Accretion Flow toward the Supermassive Black Hole of NGC 3115 with Chandra. In: The Astrophysical Journal Letters 736:L23 (2011). DOI: 10.1088/2041-8205/736/1/L23

NGC 3166 und NGC 3169: Ein zerzaustes Galaxienpaar

Das zerzauste Galaxienpaar NGC 3169 und NGC 3166

Die beiden Galaxien NGC 3169 (links) und NGC 3166 (rechts) sind einander so nahe, dass ihre gegenseitige Gravitationswirkung ihre Form beeinflusst. Im Bild rechts unterhalb des Galaxienduos befindet sich die kleinere, etwa gleich weit entfernte Galaxie NGC 3165 (Bild: ESO/Igor Chekalin)

Umgebung der Galaxiengruppe NGC 3166/3169

Die Umgebung der Galaxien NGC 3166 und NGC 3169 in einer von Davide de Martin nachbearbeiteten Aufnahme im Digitized Sky Survey 2. (Bild: ESO and Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin)

NGC 3165, NGC 3166 und NGC 3169 bilden eine Galaxiengruppe im Sternbild Sextant (Sextans), die nicht nur am Himmel nahe beieinander stehen, sondern auch im Raum. In der Fachliteratur wird die Gruppe zumeist nach ihren beiden größeren Mitgliedern als NGC 3166/9-Gruppe bezeichnet.

Das Galaxientrio ist in einer gemeinsamen Wolke aus neutralem Wasserstoffgas eingebettet. Deshalb findet sich zumeist auch ein gemeinsamer Wert für die Entfernung dieser Galaxiengruppe von der Erde, der allerdings je nach Autorenteam leicht differiert: Die Literaturangaben schwanken zwischen 50 und 74 Millionen Lichtjahren.

Starke Gravitationswechselwirkung zerzaust Galaxien

Am Himmel stehen die beiden größeren Galaxien, NGC 3166 und 3169, weniger als acht Bogenminuten auseinander. Ihr realer Abstand im Raum entspricht deshalb ungefähr dem Durchmesser unseres Milchstraßensystems. Über diese kurze Distanz hinweg beeinflusst die gegenseitige Gravitationswechselwirkung ihre Form: Während die Spiralarme von NGC 3169 auf der östlichen Seite zerzaust wirken, sind im kleineren Sternsystem NGC 3169 die Staubbänder in der Scheibenebene durcheinander geraten. Beide Galaxien sind zudem durch eine Brücke aus intergalaktischer Materie miteinander verbunden. Des Weiteren zieht sich von NGC 3166 ausgehend ein gebogener Gezeitenschweif in südöstlicher Richtung, der Untersuchungen zufolge rund 100 Millionen Sonnenmassen an neutralem Wasserstoff enthält.

NGC 3166 und 3169 wirken somit wie Tanzpartner, die mit wehenden Haaren und schwingenden Armen in einem kosmischen Tanz umeinanderwirbeln – allerdings auf einer Zeitskala, die sich in Millionen von Jahren bemisst. Die Rolle des kleinsten Mitglieds, NGC 3165, in dieser dynamischen Wechselwirkung ist bisher noch unklar.

Fotos von Amateurastronomen

Um die zahlreichen Details in den Galaxien dieser Gruppe herauszuarbeiten, sind Aufnahmen mit Gesamtbelichtungszeiten von mehreren Stunden erforderlich. Da das Sternbild Sextant von Mitteleuropa aus nur wenig über die Dunstglocke am Südhorizont emporsteigt, sind dabei Teleskopstandorte weiter im Süden günstiger.

Gelungene Aufnahmen der Galaxien NGC 3166 und 3169 stammen z.B. von Kent E. Biggs, Udo Zlender (mit der Supernova SN 2003cg in NGC 3169), Annette und Holger Manz, Bruce Pipe und Jim Thommes.

Quellen:

  • Karen Lee-Waddell et al.: Pre-existing dwarfs, tidal knots and a tidal dwarf galaxy: an unbiased HI-study of the gas-rich interacting galaxy group NGC 3166/9. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 427, S. 2314-2327 (2012). DOI: 10.1111/j.1365-2966.2012.22115.x
  • Anan Lu et al.: WISDOM project – XI. Star Formation Efficiency in the Bulge of the AGN-Host Galaxy NGC 3169 with SITELLE and ALMA. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 514, S. 5035-5055 (2022). DOI: 10.1093/mnras/stac1583
 Name:
 NGC 3165
 NGC 3166
 NGC 3169
 andere Bezeichnungen:
 UGC 5512
 UGC 5516
 UGC 5525
 Objekttyp:
 Spiralgalaxie Sdm
 Spiralgalaxie SAB
 Spiralgalaxie SA(s)a pec
 Sternbild:
 Sextant
 Sextant
 Sextant
 Position (J2000.0):
 α = 10h 13m 31,3s,
δ = +03° 22′ 30,0″
 α = 10h 13m 45,7s,
δ = +03° 25′ 29,3″
 α = 10h 14m 15,0s,
δ = +03° 27′ 58,0″
 scheinbare Helligkeit:
 13,9 mag
 10,5 mag
 10,3 mag
 Winkeldurchmesser:
 1,2′ × 0,6′
 3,8′ × 2,2′
 4,5′ × 2,7′
 Entfernung:
 ca. 18,7 Mpc = 61 Millionen Lj
 ca. 18,7 Mpc = 61 Millionen Lj
 ca. 18,7 Mpc = 61 Millionen Lj