Das Arecibo-Observatorium auf Puerto Rico erstellte Radarbilder des Asteroiden (52768) 1998 OR2, kurz bevor dieser im etwa 16-fachen Mondabstand an der Erde vorbeizog. Die Aufnahmen bestätigten die aus optischen Beobachtungen gewonnenen Eigenschaften: Der Kleinkörper hat einen Durchmesser von mindestens 2000 Metern, und er rotiert einmal in 4,1 Stunden um seine Achse. Darüber hinaus enthüllten die Radarmessungen die genaue Form des Asteroiden und einige Oberflächenstrukturen. (Bild: Courtesy of the NAIC – Arecibo Observatory, a facility of the NSF)
Der Weltraum zwischen Erde und Mond ist nicht leer. Regelmäßig kreuzen Himmelskörper von der Größe eines Hauses oder eines Berges die Bahn unseres Planeten. Dabei kommt es immer wieder, wie kürzlich geschehen, zu Beinahe-Kollisionen.
Ende April 2020 schaffte es ein weitgehend unbekannter Himmelskörper in die Tagespresse und Onlinemedien: (52768) 1998 OR2, so die Katalogbezeichnung des kartoffelförmigen Gesteinsbrockens, zählt zu den Asteroiden, die der Erde besonders nah kommen. Anlass zur Sorge bestand indes nicht, denn er zog am 29. April im sicheren Abstand von rund 6,3 Millionen Kilometer an der Erde vorbei. Das entspricht immerhin dem 16-Fachen der Entfernung unseres Mondes. Mit einem Durchmesser, der auf 1800 bis 4100 Meter geschätzt wird, ist er allerdings der größte Asteroid, der sich im Jahr 2020 der Erde so stark nähert – und das war durchaus eine Meldung wert. Denn Objekte dieser Größe können gewaltige Zerstörungen anrichten, wenn sie mit unserem Planeten zusammenstoßen.
Zumindest von (52768) 1998 OR2 wird in den nächsten Jahrhunderten keine Gefahr ausgehen. Zwar wird er am 16. April 2079 der Erde noch näher kommen als bei seiner Passage am 29. April 2020; aber auch dann wird er weit jenseits des Mondes an uns vorbeiziehen, und zwar mit dem Fünffachen des Abstandes Erde-Mond.
Deutlich näher kommen uns allerdings einige kleinere Asteroiden – und das recht häufig. Allein im Monat April wurden 13 Asteroiden beobachtet, die innerhalb der Mondbahn an der Erde vorbeizogen. Allerdings war keiner von ihnen größer als 30 Meter (siehe Tabelle weiter unten). Immerhin zeigt diese Auswahl, dass enge Vorbeiflüge von Asteroiden recht häufig sind.
Zwei ungewöhnliche Vorbeiflüge ragen aus den April-Ereignissen heraus. Der Asteroid 2020 HS7 zog am Abend des 28. April in nur 42 745 Kilometer Abstand vom Erdmittelpunkt an unserem Planeten vorbei. Dabei streifte er die Zone, in der geostationäre Satelliten die Erde umkreisen. Der Asteroid war erst einen Tag zuvor mit dem Teleskop Pan-STARRS auf der Hawaii-Insel Maui entdeckt worden. Erste Auswertungen der Aufnahmen etwa eine Stunde nach der Entdeckung zeigten, dass der Asteroid der Erde bereits sehr nahe war und mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr zehn Prozent mit ihr kollidieren könne. Nachfolgeuntersuchungen mit anderen Teleskopen wie etwa der Thüringer Landessternwarte Tautenburg gaben jedoch kurz darauf Entwarnung. Den nächsten Satelliten, EDRS-A, verfehlte der Asteroid um 1200 Kilometer.
Der Asteroid 2020 JJ zog nur wenige Stunden nach seiner Entdeckung knapp an der Erde vorbei. Die Animation zeigt die Flugbahn aus einer Perspektive, die vom Nordpol der Ekliptik auf das Erde-Mond-System schaut. (Bild: ESA/NEOCC)
Weniger als eine Woche später, am 4. Mai, kam es sogar zu einem noch näheren Vorbeiflug eines Asteroiden. Auch dieses Objekt war erst wenige Stunden zuvor entdeckt worden, dieses Mal von einem Teleskop der Universität von Arizona. Nach den ersten Warnmeldungen konnte mit Hilfe weiterer Observatorien binnen zweier Stunden die Bahn genau ermittelt werden. Die an den Auswertungen beteiligten Wissenschaftler dürften aufgeatmet haben: Der Asteroid entpuppte sich als drei bis sechs Meter großes Objekt, das um 12:03 Uhr UTC in nur 7000 Kilometer Höhe über den Pazifischen Ozean hinweg zog. Hätte er die Erde getroffen, wäre er aufgrund seiner geringen Größe in der Atmosphäre zerplatzt, ohne Schäden anzurichten. Jetzt zieht der Asteroid, der mittlerweile die Bezeichnung 2020 JJ trägt, weiter seine Bahn durch das Sonnensystem – allerdings aufgrund der nahen Begegnung mit der Erde nun mit anderen Eigenschaften. Erst am 11. September 2031 wird er sich der Erde wieder nennenswert annähern. Seine Entfernung wird dann aber rund 26 Millionen Kilometer betragen, also fast das 70-Fache des Abstands Erde–Mond.
Erdnahe Asteroiden im April und Mai 2020 mit kleinstem Abstand < 1 LD
Objekt |
Zeitpunkt der engsten Annäherung (UTC) |
kleinster Abstand (1 LD = 384.000 km) |
Durchmesser des Objekts |
2020 GO1 |
1. April, 19:09 |
0,18 LD |
8-18 m |
2020 GH |
3. April, 22:04 |
0,33 LD |
4-9 m |
2020 GY1 |
5. April, 07:37 |
0,21 LD |
13-28 m |
2020 HO |
15. April, 10:06 |
0,75 LD |
5-10 m |
2020 GH2 |
15. April, 12:47 |
0,93 LD |
13-28 m |
2020 HM6 |
22. April, 05:52 |
0,42 LD |
13-28 m |
2020 HF5 |
22. April, 16:41 |
0,38 LD |
12-27 m |
2020 HU7 |
22. April, 20:19 |
0,34 LD |
3-7 m |
2020 HX3 |
24. April, 19:38 |
0,66 LD |
10-22 m |
2020 HT8 |
26. April, 13:33 |
0,38 LD |
6-13 m |
2020 HP6 |
27. April, 14:40 |
0,33 LD |
6-14 m |
2020 HS7 |
28. April, 18:51 |
0,11 LD |
4-9 m |
2020 JG |
30. April 19:38 |
0,55 LD |
18-41 m |
2020 JA |
3. Mai, 20:01 |
0,62 LD |
10-21 |
2020 JJ |
4. Mai, 12:05 |
0,03 LD |
3-6 m |
2020 JN |
5. Mai, 03:22 |
0,65 LD |
9-20 m |
-
Quelle: https://cneos.jpl.nasa.gov/ca/
Erdnahe Asteroiden im April und Mai 2020 mit Durchmesser > 100 m
Objekt |
Zeitpunkt der engsten Annäherung (UTC) |
kleinster Abstand (1 LD = 384.000 km) |
Durchmesser des Objekts |
2015 FC35 |
4. April, 10:04 |
10,42 LD |
110-250 m |
2020 DT3 |
5. April, 12:03 |
17,54 LD |
150-340 m |
2020 GA2 |
11. April, 15:57 |
8,51 LD |
160-350 m |
(363599) 2004 FG11 |
11. April, 18:00 |
19,15 LD |
170-380 m |
2020 HW3 |
24. April, 18:29 |
13,95 LD |
100-230 m |
2020 FM6 |
27. April, 04:35 |
14,29 LD |
110-250 m |
(52768) 1998 OR2 |
29. April, 09:56 |
16,36 LD |
1800-4100 m |
2020 DM4 |
1. Mai, 10:05 |
18,37 LD |
120-260 m |
(438908) 2009 XO |
7. Mai, 12:19 |
8,83 LD |
210-470 m |
(388945) 2008 TZ3 |
10. Mai, 14:17 |
7,27 LD |
220-490 m |
2000 KA |
12. Mai, 11:20 |
8,84 LD |
120-270 m |
2020 HS6 |
14. Mai, 12:42 |
15,92 LD |
98-220 m |
(136795) 1997 BQ |
21. Mai, 21:45 |
16,02 LD |
670-1500 m |
- Quelle: https://cneos.jpl.nasa.gov/ca/
Im Falle von 2020 JJ ging alles glimpflich aus. Was wäre aber, wenn ein deutlich größerer Asteroid die Erde treffen würde? Wie hoch dieses Risiko einer direkten Kollision ist, lässt sich nur abschätzen, wenn möglichst viele Asteroiden und ihre Bahnen bekannt sind. Spezielle Beobachtungsprogramme widmen sich dieser Aufgabe. Hintergrundinformationen hierzu haben wir in dem Artikel „Erdnahe Asteroiden“ zusammengestellt.
Quellen:
- Zenaida Gonzalez Kotala: Asteroid Visiting Earth’s Neighborhood Brings its Own Face Mask, University of Central Florida, 23.04.2020
- Asteroid 1998 OR2 to Safely Fly Past Earth This Week, Center for Near Earth Objects Studies, 28.04.2020
- Asteroid grazes path of satellites in geostationary ring, ESA, 30.04.2020
- An even closer unexpected approach, ESA, 06.05.2020
- NEO Coordination Centre der ESA
- JPL Small-Body Database Browser