Sternbild Haar der Berenike (Coma Berenices)

Das Haar der Berenike (lateinisch Coma Berenices) ist ein Sternbild mittlerer Größe am Nordhimmel. Es ist von allen bewohnten Regionen der Erde aus zu sehen und steht in den Monaten April bis Juni günstig am Abendhimmel.

Aufzufinden ist das Sternbild Haar der Berenike recht leicht, obwohl es keine hellen Sterne enthält: Es liegt östlich des Löwen (Leo) und westlich des Sternbilds Bärenhüter (Bootes), dessen Hauptstern Arktur der hellste Stern des nördlichen Sternenhimmels ist. Im Norden grenzen die Jagdhunde (Canes Venatici) und der Große Bär (Ursa Major) an, im Süden die Jungfrau (Virgo).

Seine Schönheit entfaltet das Sternbild erst in einer klaren, dunklen Nacht. Etwa zwei Dutzend Sterne 4. und 5. Helligkeitsklasse scheinen dann wie Diamanten auf schwarzem Samt zu funkeln. Die drei hellsten Sterne – Beta, Alpha und Gamma Comae Berenices – leuchten etwa gleich hell mit einer scheinbaren Helligkeit von 4,25, 4,30 und 4,35 mag. Ihre Entfernungen sind aber sehr unterschiedlich: 30, 60 und 250 Lichtjahre. Der Stern γ Com ist zugleich das hellste Mitglied eines offenen Sternhaufens, der mit seiner lockeren Ansammlung von lichtschwachen Sternen das Erscheinungsbild von Coma Berenices prägt und deshalb Coma-Sternhaufen genannt wird.

Trotz seiner nur mittleren Größe enthält das Sternbild acht Messier-Objekte: den Kugelsternhaufen M 53 und die Galaxie M 64 sowie die zum Virgo-Galaxienhaufen gehörenden Galaxien M 85, M 88, M 91, M 98, M 99 und M 100.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Haar der Berenike einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds an.
Das Haar der Berenike (lateinisch Coma Berenices) ist ein Sternbild des Nordhimmels

Das Sternbild Haar der Berenike ist nicht sehr auffällig, doch in einer klaren, dunklen Nacht glänzen an dieser Stelle des Himmels zahlreiche lichtschwache Sterne wie Diamanten auf schwarzem Samt. (Bilder: Uwe Reichert)

(Bewege den Mauszeiger über das obere Bild, um die figürliche Darstellung des Sternbilds einzublenden. Klicke auf eines der unteren Bilder, um es zu vergrößern.)

Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Haar der Berenike

Die Sternbilder Bärenhüter, Jagdhunde, Nördliche Krone und Haar der Berenike in einer kolorierten Fassung des Bode-Sternatlas

Johann Elert Bode (1747 – 1826) illustrierte das Sternbild Haar der Berenike in seiner 1782 erschienenen „Vorstellung der Gestirne auf XXXIV Kupfertafeln nach der Pariser Ausgabe des Flamsteedschen Himmelsatlas“. (Aus: J. E. Bode’s Sternatlas. Nachdruck der Originalausgabe von 1782 auf Veranlassung von Dr. Hans Vehrenberg, Treugesell-Verlag/Sterne und Weltraum)

Erstmals verzeichnete Caspar Vopelius das Sternbild Haar der Berenike 1536 auf einem Himmelsglobus

Die erste Darstellung des Sternbilds Haar der Berenike findet sich auf einem Himmelsglobus, den Caspar Vopelius im Jahr 1536 herstellte. Vopelius zeichnete die Haarlocke als eine im Wind wehende Mähne, in der eine kleine Frauengestalt versteckt ist. (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_mfL012096_11; mit freundlicher Genehmigung)

Die Sterne, die heute zum Sternbild Haar der Berenike gehören, waren im Altertum keiner Konstellation zugeordnet. Claudius Ptolemäus (um 100 – nach 160) erwähnt in seinem Sternkatalog, dem Almagest, zwischen dem Schwanz des Löwen und dem Schwanz des Bären einen „nebelförmigen Schwarm“ aus lichtschwachen Sternen, die keinem Sternbild zugehörig seien, die aber „die Haarlocke“ (πλόκαμος) genannt würden.

Die Identifizierung mit dem Haupthaar der ägyptischen Königin Berenike II. erfolgte bereits Ende des dritten vorchristlichen Jahrhunderts. Doch erst nachdem die deutschen Astronomen Caspar Vopelius (1511 – 1561) und Peter Apian (1495 – 1552) sowie der aus der Grafschaft Flandern stammende Kartograf Gerhard Mercator (1512 – 1594) das Sternbild Haar der Berenike auf ihren Himmelsgloben und Sternkarten eingezeichnet hatten, setzte es sich durch. Und seit der Festlegung durch die Internationale Astronomische Union 1928 ist das Haar der Berenike (Coma Berenices) eines der 88 offiziellen Sternbilder.

Berenike – eine historische Person

Berenike II. ist keine mythologische Figur, sie hat im 3. Jahrhundert v. Chr. tatsächlich gelebt. Mehrere Frauen der ptolemäischen Dynastie trugen diesen Namen, der „die Siegreiche“ bedeutet. Die Ptolemäer waren die griechischen Herrscher Ägyptens in hellenistischer Zeit. In Weiterführung der ägyptischen Tradition war bei den Ptolemäern unter anderem die Geschwisterehe üblich.

So war Berenike II. (etwa 272 – 221 v. Chr.), um die es hier geht, zugleich Schwester und Gattin von Ptolemaios III. Euergetes, der seit 246 v. Chr. König des Ptolemäerreiches in Ägypten war. Als ihr Gemahl mit seinen Truppen im 3. Syrischen Krieg gegen die Seleukiden zu Felde zog, die das Reich von Syrien und Palästina her bedrohten, suchte sie die Götter gnädig zu stimmen, indem sie gelobte, im Falle seiner siegreichen Rückkehr ihr schönes, wallendes Haar abzuschneiden.

Das tat sie denn auch, und sie hinterlegte ihre Locken in einem Tempel in Zephyrium nahe der heutigen Stadt Assuan unter den wachsamen Augen der Tempelwächter. Doch oh Schreck: Am nächsten Tag war die Haarpracht verschwunden.

Um dem König eine Erklärung zu geben, wies der Hofastronom Konon von Samos – ein Freund des Archimedes – in einer dunklen Nacht auf eine Stelle am Himmel nahe des Schwanzes des Löwen, an der zahlreiche lichtschwache Sterne glitzerten, und sagte, die Götter seien über das Dankopfer Berenikes so erfreut gewesen, dass sie ihren Haaren für alle Ewigkeit einen Platz am Firmament geschenkt hätten wie einst der Krone der Ariadne (die im Sternbild Nördliche Krone, Corona Borealis, verewigt ist. Der König war offenbar zufrieden, konnte er doch nun die schönen Locken seiner Frau sehen, wann und von wo auch immer er wollte.

Der Nachwelt überliefert wurde diese Begebenheit durch das Lobgedicht „Locke der Berenike“, das der griechische Gelehrte Kallimachos (etwa 305 – 240 v. Chr.) verfasst hat.

Von Berenike zur Vernissage

Königin Berenike II. hat uns indes noch mehr hinterlassen als ihr wallendes Haupthaar am Firmament. Ihr zu Ehren wurde die Hafenstadt Euhesperides – das heutige Bengasi in Libyen – in Berenike umbenannt. Dieser Handelsplatz exportierte bis ins Mittelalter hinein einen lackartigen Anstrich, den man nach seinem Herkunftsort benannte.

Über die lateinische Form Berenice und durch Lautverschiebungen wurde daraus im Italienischen vernice, im Französischen vernis und im Neuhochdeutschen „Firnis“. Nach dem französischen Wort bezeichnete man schließlich Ende des 19. Jahrhunderts die feierliche Eröffnung einer Gemälde-Ausstellung als „Vernissage“; dieser Begriff hat sich mittlerweile auch für Präsentationen anderer künstlerischer Produkte eingebürgert.

Quellen:
  • Klaus Bartels: Wie Berenike auf die Vernissage kam. Darmstadt 1996
  • Gudrun Guttenberger: Berenike. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. (PDF)
  • Johan L. Heiberg: Claudii Ptolemaei Opera quae exstant omnia. Volumen I. Syntaxis Mathematica, Leipzig 1898-1903
  • Eckhard Slawik und Uwe Reichert: Atlas der Sternbilder, Heidelberg, Berlin 1998