Sternbild Krebs (Cancer)

Sternbild-Löwe

Das Sternbild Krebs ist recht unauffällig, enthält aber mit M 44 einen der schönsten offenen Sternhaufen. (Bilder: Uwe Reichert)

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Der Krebs (lateinisch Cancer) ist ein wenig markantes Tierkreissternbild zwischen den Zwillingen und dem Löwen. Kein Stern ist heller als 3,5 mag. Doch bereits mit freiem Auge ist der offene Sternhaufen M 44 (im Volksmund auch als Praesepe oder Futterkrippe bekannt) als auffälliger Schimmer inmitten des Sternbilds wahrzunehmen. Der Krebs ist von allen bewohnten Gegenden der Erde aus zu sehen und steht in den Monaten Januar bis April günstig am Abendhimmel.

Die Sonne durchquert dieses Sternbild jedes Jahr vom 20. Juli bis zum 10.­ August. Im klassischen Altertum erreichte unser Tagesgestirn im Krebs den nördlichsten Punkt seiner scheinbaren Bahn am Himmel, der die Sommersonnenwende (für die nördliche Halbkugel der Erde) bzw. die Wintersonnenwende (für die südliche Hemisphäre) markiert. Die Deklination der Sonne in diesem Punkt beträgt +23° 26′; dies ist der Winkel, um den die Jahresbahn der Sonne, die Ekliptik, gegen den Himmelsäquator geneigt ist. Infolge der Präzessionsbewegung der Erdachse hat sich dieser Bahnpunkt inzwischen an die Grenze zwischen den Sternbildern Gemini (Zwillinge) und Taurus (Stier) verschoben. Erhalten hat sich aber die Bezeichnung Wendekreis des Krebses für die geografische Breite von 23° 26′ Nord: Für alle Orte, die auf diesem Breitengrad liegen, wandert die Sonne am Tag der Sommersonnenwende zur Mittagszeit durch den Zenit; an allen anderen Tagen verläuft ihre Bahn südlich davon.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene  Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Krebs einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds Krebs an.

Besondere Objekte

Gut zu wissen!

55 Cancri – Ein Planetensystem ähnlich dem unseren

Der Stern 55 Cancri (kurz: 55 Cnc) ist nur ein unauffälliger Lichtpunkt in diesem Sternbild, doch er weist eines der am besten untersuchten und interessantesten Planetensysteme auf. Mindestens fünf Exoplaneten umkreisen den 41 Lichtjahre von uns entfernten Zentralstern, und die Eigenschaften dieses Systems sind unserem eigenen Planetensystem nicht unähnlich.

Mit einer scheinbaren Helligkeit von 5,95 mag liegt 55 Cancri an der Sichtbarkeitsgrenze für das freie Auge. Mit einem Fernglas ist er aber einfach zu erkennen. Wir finden ihn im nördlichen Bereich des Sternbilds Krebs, 1,3° südöstlich des 4,0 mag hellen Sterns Iota Cancri (ι Cnc).

Der Stern trägt mehrere Bezeichnungen. 55 Cancri ist der Eintrag im Katalog des britischen Astronomen John Flamsteed, während er in der ursprünglich von Johann Bayer eingeführten Notation heute als Rho-1 Cancri (ρ¹ Cnc) bezeichnet wird. Tatsächlich ist es ein Doppelsternsystem. Die Hauptkomponente, 55 Cancri A, ist ein Stern des Spektraltyps K0 mit einer Masse und einem Radius wie unsere Sonne. Da die Oberflächentemperatur von 55 Cancri A aber mit 5160 Kelvin etwas geringer ist als diejenige unserer Sonne, strahlt er nur mit etwa 60 Prozent einer Sonnenleuchtkraft. Die zweite Komponente des Doppelsternsystems, 55 Cancri B, ist ein roter Zwerg der Spektralklasse M, der mit nur 0,3 Prozent der Sonnenleuchtkraft von der Erde aus mit einer Helligkeit von 13,15 mag erscheint. Die beiden Sterne haben einen relativ weiten Abstand von etwa 1065 AE. Im Dezember 2015 vergab die Internationale Astronomische Union (IAU) für 55 Cancri A auch einen Eigennamen: Copernicus.

Supererden mit höllischen Eigenschaften

Die Planeten wurden in der Reihenfolge ihrer Entdeckung als 55 Cnc b, 55 Cnc c, 55 Cnc d, 55 Cnc e und 55 Cnc f bezeichnet. (Gemäß korrekter Notation müsste es eigentlich 55 Cnc Ab etc. heißen, aber auf den Zusatz A für die Hauptkomponente des Doppelsternsystems wird meist verzichtet.) Auch für diese Himmelskörper hat die IAU besondere Eigennamen vergeben: Galileo, Brahe, Lipperhey, Janssen und Harriot.

Der Planet 55 Cancri e (Janssen) ist mit dem 1,9-fachen Durchmesser und der achtfachen Masse eine sogenannte Supererde. Allerdings sind die Umweltbedingungen auf ihm alles andere als erdähnlich. Alle 18 Stunden umkreist er den Stern 55 Cancri A auf einer engen Umlaufbahn, deren Radius nur 0,016 AE beträgt. Aufgrund des geringen Abstands ist seine Rotation gebunden, das heißt, der Planet wendet seinem Zentralstern stets die gleiche Seite zu. Vermutlich ist eine Atmosphäre vorhanden, die einen Teil der vom Stern einfallenden Energie von der ewigen Tag- auf die ewige  Nachtseite transportiert. Modellrechnungen ergeben, dass die Oberflächentemperaturen dabei höllische Werte von etwa 1300°C auf der Nacht- und rund 2300°C auf der Tagseite erreichen. Bei solchen Werten schmelzen Silikatgesteine, so dass der Planet vermutlich von einem globalen Lavasee bedeckt ist. Ein interaktiver Spaziergang auf 55 Cancri e gibt einen Eindruck von diesem Höllenplaneten.

55 Cancri b (Galileo), ein Planet mit 80 Prozent der Jupitermasse, umkreist seinen Zentralstern alle 15 Tage. Etwa dreimal so lange für einen Umlauf braucht 55 Cancri c (Brahe), der etwa 16 Prozent der Jupitermasse hat. Die Bahnen beider Planeten sind kleiner als die Bahn von Merkur in unserem Sonnensystem. Der vierte Planet, 55 Cancri f (Harriot), ist etwa so weit von seinem Stern entfernt wie die Venus von unserer Sonne. Die Bahn von 55 Cancri d (Lipperhey) entspricht etwa derjenigen von Jupiter in unserem Sonnensystem, seine Masse ist hingegen dreimal größer und übersteigt somit die Gesamtmasse der vier anderen Planeten. Lipperhey könnte demnach eine ähnlich stabilisierende Wirkung auf das 55-Cancri-Planetensystem ausüben wie Jupiter auf unser Sonnensystem.

Der Stern 55 Cancri liegt südöstlich des mit bloßen Augen sichtbaren Sterns Iota Cancri

Der nur etwa 6 mag helle Stern 55 Cancri (nach der Bayer-Notation auch als ρ¹ Cancri bezeichnet) befindet sich 1,3° südöstlich des leicht mit bloßem Auge erkennbaren Sterns Iota Cancri (ι Cancri) im nördlichen Bereich des Sternbilds Krebs. (Bild: Uwe Reichert)

Planetenbahnen im inneren Sonnensystem

Die Umlaufbahnen der vier Planeten 55 Cancri e, b, c und f um ihren Zentralstern. Der Planet 55 Cancri d hat mit 5 Astronomischen Einheiten (AE) etwa den gleichen Abstand zu seinem Zentralstern wie der Planet Jupiter des Sonnensystems. (Bilder: Uwe Reichert)

(Bewege den Mauszeiger über das Bild, um ein Bild des inneren Sonnensystems im gleichen Maßstab einzublenden.)

Veränderliche Sterne

Der Mirastern R Cancri

Die Umgebung des Veränderlichen R Cancri

Der Veränderliche R Cancri liegt genau 2,5° nördlich von Beta Cancri (β Cnc). Wie alle Mira-Sterne leuchtet er rötlich. Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Februar 2020 waren seit dem Minimum der Lichtkurve erst fünf Wochen vergangen, deshalb erscheint der Veränderliche relativ lichtschwach. Die im Foto eingetragenen Zahlen geben die Flamsteed-Bezeichnungen der markierten Sterne an. (Bild: Uwe Reichert)

R Cancri ist ein Pulsationsveränderlicher des Mira-Typs. Wir finden ihn 2,5° nördlich des Sterns Beta Cancri an der Position α = 08h 16m 33,8s, δ = +11° 43′ 34,5″. Dieser rote Riesenstern ist etwa 730 Lichtjahre von uns entfernt; seine scheinbare Helligkeit variiert mit einer Periode von 361,6 Tagen zwischen 6,1 und 11,8 mag.

Im Jahr 2020 erreichte R Cancri sein Helligkeitsminimum im Januar und sein Maximum im Juli. Da die Periode seines Lichtwechsels fast genau ein Jahr beträgt, verschieben sich die Daten seiner Helligkeitsextreme von Jahr zu Jahr nur um etwa vier Tage im Kalender nach vorne. Dies hat zur Folge, dass auf absehbare Zeit der Anstieg der Lichtkurve nur unvollständig zu beobachten ist, weil R Cancri zur Zeit seines Helligkeitsmaximums am Taghimmel steht.

Die aus zahlreichen Einzelbeobachtungen erstellte Lichtkurve zeigt die Helligkeitsschwankungen des Mirasterns R Cancri

Lichtkurve des Mira-Veränderlichen R Cancri. Die scheinbare Helligkeit des pulsierenden Sterns schwankt mit einer Periode von etwa 361,6 Tagen zwischen 6,1 mag und 11,8 mag. (Bild: AAVSO)

Nebel

Der planetarische Nebel Abell 31

Der planetarische Nebel Abell 31

Mit einem 80-cm-Teleskop des Mount-Lemmon-Observatoriums gelang Adam Block eine insgesamt 21 Stunden lang belichtete Aufnahme des planetarischen Nebels Abell 31. Die blau erscheinenden inneren Bereiche des Nebels sind auf Sauerstoff zurückzuführen, der durch die Strahlung des Zentralsterns zum Leuchten angeregt wird. Das rot leuchtende Gas ist Wasserstoff. (Bild: Adam Block/Mount Lemmon SkyCenter/University of Arizona)

Abell 31 im Krebs (auch bekannt als Sh2-290 oder PK219+31.1) ist einer der größten planetarischen Nebel am Himmel. Doch wegen seiner geringen Helligkeit von weniger als 12 mag ist er sehr schwierig zu beobachten. Der rund 1700 Lichtjahre von uns entfernte Nebel entstand vor langer Zeit durch die Todeszuckungen eines Sterns, der nach dem Verbrauch seines Kernbrennstoffs zu einem Weißen Zwerg kollabierte. Dabei stieß er seine äußere Hülle in den Weltraum hinaus. Mit zunehmender Expansion verdünnte sich das Gas dieser Hülle immer mehr. Inzwischen hat der Nebel einen Durchmesser von etwa zehn Lichtjahren erreicht. Am irdischen Himmel beträgt seine Winkelausdehnung rund 1000″, das entspricht 0,27°, also etwa einem halben Vollmonddurchmesser.

Langzeitbelichtungen zeigen die rundliche Struktur des Nebels mit einer faserigen Struktur. Auf einer Seite erscheint der Nebel schärfer begrenzt, was darauf hindeutet, dass die expandierenden Gase durch Wechselwirkung mit dem interstellaren Medium eine Stoßwelle ausgebildet haben.

 Name:
 Abell 31
 andere Bezeichnungen:
  Sh2-290, PK219+31.1, PN A66 31
 Objekttyp:
 planetarischer Nebel
 Sternbild:
 Krebs
 Position (J2000.0):
 α = 08h 54m 13,2s, δ = +08° 53′ 52,9″
 scheinbare Helligkeit:
 15,5 mag
 Winkeldurchmesser:
 16,2′ × 16,2′
 Entfernung:
 510 pc = 1700 Lj

Ursprung des Sternbilds Krebs

Der Krebs gehört zu den Sternbildern, die bereits in der Antike bekannt waren. Mythologisch ist er mit den Abenteuern des griechischen Helden Herakles verbunden, den wir an anderer Stelle des Himmels als Herkules sehen. Doch die Legende mit dem Krebs geht sogar auf Motive zurück, die aus dem sumerisch-babylonischen Raum stammen.

Figürliche Darstellung des Sternbilds Cancer (Krebs) im Atlas des Johannes Hevelius

Das Sternbild Cancer in der Darstellung von Johannes Hevelius (1611-1687). Der Danziger Astronom hatte die Karten für seinen 1690 posthum erschienenen Atlas selbst gestochen. Im Gegensatz zu anderen Himmelskartografen stellte Hevelius die Sternbilder seitenverkehrt dar – also so, wie sie auf einem Himmelsglobus erscheinen würden, den man von außen betrachtet. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Der griechische Mythos weiß Folgendes zu berichten: Als Herakles mit Hydra – einem vielköpfigen schlangenähnlichen Ungeheuer – kämpfte, befand er sich in einer prekären Situation: Für jeden abgeschlagenen Kopf der Bestie wuchsen zwei neue, die nach ihm schnappten. Um seine Not noch zu vergrößern, tauchte aus den Sümpfen ein Riesenkrebs auf, der ihn kräftig in den Fuß zwickte. Doch Herakles hielt sich nicht lange mit dem lästigen Verbündeten der Hydra auf und zertrat ihn. Man sagt, Hera, die Gattin des Zeus, habe diesen Kampf dazu nutzen wollen, um den von ihr verhassten Herakles – einen unehelichen Spross ihres Gatten – zu beseitigen.

Wenngleich der Krebs nur eine Statistenrolle in dem Herakles-Mythos spielte, versetzte Hera ihn zum Dank für seinen heroischen Einsatz als Sternbild an den Himmel. Dort befindet er sich nun wieder in Gesellschaft mit Hydra (dem Sternbild Wasserschlange) und einigen anderen von Herakles bezwungenen Untieren.

Lasttier oder Kampfesel?

Für die beiden Sterne Gamma und Delta Cancri (γ und δ Cnc), die den offenen Sternhaufen M 44 an dessen östlicher Seite flankieren, gibt es eigene Mythen. Ihre lateinischen Namen sind Asellus Borealis und Asellus Australis (für „Nördlicher Esel“ und „Südlicher Esel“). Sie sollen die Lasttiere darstellen, die den Gott Dionysos während einer Irrfahrt durch mehrere vorderasiatische Länder über einen Fluss trugen und von ihm zur Belohnung unter die Sterne versetzt wurden, wo sie sich nun an der himmlischen Futterkrippe (dem Sternhaufen M 44) stärken können.

Andere antike Schriftsteller sahen in ihnen die Esel, auf denen Dionysos mit einigen Begleitern in den Kampf zog, der zwischen den Göttern und den Giganten tobte. Die Giganten, die offenbar vorher noch niemals solche Tiere gesehen hatten, gerieten durch deren heiseres Geschrei derart in Panik, dass sie die Schlacht verloren.