Sternbild Wassermann (Aquarius)

Der Wassermann (lateinisch Aquarius) ist ein Tierkreissternbild am Himmelsäquator. Die Sonne, die in ihrer scheinbaren Bewegung ostwärts entlang der Ekliptik läuft, tritt jedes Jahr am 16. Februar vom Steinbock her kommend in das Sternbild ein. Am 12. März wechselt die Sonne vom Wassermann in die Fische. Auch der Mond und die Planeten ziehen auf ihren scheinbaren Bahnen durch dieses Tierkreissternbild.

Hellste Sterne sind Beta Aquarii (β Aqr) und Alpha Aquarii (α Aqr) mit scheinbaren Helligkeiten von 2,89 und 2,94 mag. Nur vier weitere Sterne sind heller als 4. Magnitude. Das Sternbild ist also nicht sehr markant, zumal sich in der unregelmäßigen Anordnung der Sterne kein vertrautes Muster entdecken lässt.

Nachbarsternbilder sind – im Uhrzeigersinn von Norden beginnend – der Pegasus, das Füllen (Equuleus), der Delfin (Delphinus), der Adler (Aquila), der Steinbock (Capricornus), der Südliche Fisch (Piscis Austrinus), der Bildhauer (Sculptor), der Walfisch (Cetus) und die Fische (Pisces).

In den Monaten September bis November steht der Wassermann günstig am Abendhimmel. Für Beobachter auf der Nordhalbkugel der Erde erreicht das Sternbild aber keine große Höhe über dem Südhorizont. Bessere Beobachtungsbedingungen gibt es auf der Südhalbkugel: Von Namibia oder Chile aus läuft der Wassermann hoch am Himmel durch den Zenit.

Eine mit Koordinaten versehene grafische Karte eines Himmelsausschnitts zeigt weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Wassermann einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben.
Der Wassermann (lat. Aquarius) ist ein Sternbild des Tierkreises, das auf der Ekliptik und auf dem Himmelsäquator liegt.

Das Sternbild Wassermann ist recht ausgedehnt, mangels heller Sterne aber nicht markant. Zum Zeitpunkt der Aufnahme am 30. Oktober 2022 standen die Planeten Jupiter, Saturn und Neptun sowie die Asteroiden Juno und Vesta in diesem Himmelsfeld. (Bilder: Uwe Reichert)

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Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Wassermann

Der Wassermann ist eines der 48 klassischen Sternbilder, die aus der Antike überliefert sind. Gemeinsam mit einigen anderen Konstellationen des Tierkreises, die entlang der Ekliptik liegen, gehört der Wassermann sogar zu den ältesten Sternbildern. Das mag wegen der Unauffälligkeit des Sternbilds verblüffen, erklärt sich jedoch durch seine frühere astronomische Bedeutung. Die Geschichte dahinter führt uns in die Gegend der heutigen Staaten Irak und Iran, aber in Zeiten, in denen dort, in der Gegend des fruchtbaren Halbmonds, andere Reiche anzutreffen waren: Elam, Sumer, Akkad, Babylon, Assur sowie ihre jeweiligen Vorgänger wie etwa die Obed-Kultur. Also in Zeiten, in denen im Nahen Osten die ersten Hochkulturen und Schriftsysteme entstanden.

Bedeutung von Äquinoktialpunkten und Solstitien

Beobachter im Bereich des fruchtbaren Halbmonds hatten wohl als Erste erkannt, welche Bedeutung den Äquinoktien und Solstitien zukommt, also den Tagundnachtgleichen und Sonnenwenden. Die beiden Äquinoktialpunkte sind diejenigen Punkte am Himmel, in denen sich die Ekliptik und der Himmelsäquator schneiden. Dabei ist der Frühlingspunkt derjenige Äquinoktialpunkt, an dem die Sonne den Himmelsäquator von Süd nach Nord überquert. Entsprechend passiert die Sonne den Herbstpunkt von Nord nach Süd. Im Winkelabstand von 90° dazu liegen die Punkte, an denen die Sonne den höchsten (Sommerpunkt) beziehungsweise tiefsten Stand (Winterpunkt) im Jahreslauf erreicht. Die zugehörigen Zeitpunkte markieren die Sonnenwenden.

Diesen vier ausgezeichneten Punkten am Himmel entsprechen vier Sternbilder, die etwa im Abstand von 90° auf der Ekliptik liegen. Um das Jahr 4000 v. Chr. waren dies der Stier, der Löwe, der Skorpion und der Wassermann.

Darstellung des Sternbilds Wassermann im Sternatlas von Johann Bayer.

Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Wassermann in der von Ptolemäus beschriebenen Weise. Mit dem schraffierten Band um die Ekliptik herum markierte Bayer den Bereich, in dem sich die Planeten bewegen können. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)

Der heliakische Aufgang von Alpha Aquarii markierte den Winteranfang

Zu jener Zeit gab es im babylonischen Raum eine besondere Situation. Wir wissen, dass die dortigen Sterndeuter den heliakischen Aufgang von hellen Gestirnen beobachteten. Der heliakische Aufgang bezeichnet den Tag im Jahr, zu dem ein Stern (oder ein Planet) erstmals kurz vor Sonnenaufgang in der Morgendämmerung über dem Osthorizont sichtbar wird. In den Tagen davor steht die Sonne noch zu nah an diesem Gestirn, so dass ihr Glanz sein Licht überstrahlt. In den Tagen nach dem heliakischen Aufgang wird der Winkelabstand zwischen Sonne und Gestirn noch größer, und zwar um etwa 1 Grad pro Tag. Dann geht das Gestirn bereits am dunklen Himmel auf, und es ist längere Zeit zu sehen, bevor es Tag wird. Die Zeitspanne der Sichtbarkeit verlängert sich um etwa vier Minuten pro Tag. Geübte Beobachter können also den heliakischen Aufgang eines bestimmten hellen Sterns auf den Tag genau bestimmen.

Um das Jahr 4000 v. Chr. markierte nun der heliakische Aufgang der Plejaden im Sternbild Stier den Beginn des Frühlings, wenn die Sonne im Frühlingspunkt stand. Der Frühlingspunkt lag damals etwa 24 Grad östlich der Plejaden, während er heute im Sternbild Fische liegt. Zu Beginn des Sommers, also zur Zeit der Sommersonnenwende, war der heliakische Aufgang des hellen Sterns Regulus im Löwen zu beobachten. Der Herbst wiederum begann, wenn der heliakische Aufgang von Antares im Sternbild Skorpion erfolgte. Und der astronomische Beginn des Winters fiel mit dem heliakischen Aufgang des Sternbilds Wassermann zusammen. Zwar fehlt dem Wassermann ein heller Stern, aber der heliakische Aufgang des Sterns Alpha Aquarii könnte als Marker ausreichend gewesen sein: Immerhin weist die gekrümmte Sternenkette des zuvor aufgegangenen Sternbilds Steinbock auf seine Position, so dass geübte Beobachter ihn in der Morgendämmerung zu Beginn des Winters ausfindig machen konnten.

Das Sternbild Wassermann im historischen Sternatlas von Johannes Hevelius.

Eine Seite aus dem Sternatlas von Johannes Hevelius zeigt das Sternbild Wassermann (Aquarius) als Jüngling, der Wasser aus einem Krug ausgießt. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Das Sternbild Wassermann im MUL.APIN

Symbolische Darstellungen der vier astronomisch bedeutenden Sternbilder Stier, Löwe, Skorpion und Wassermann sowie der mit ihnen verbundenen Gottheiten sind aus dem mesopotamischen Raum bereits aus dem 3. und 4. Jahrtausend v. Chr. überliefert. Die ältesten belegten Sternbeobachtungen sind jedoch deutlich jünger: Auf mit Keilschrift beschriebenen Tontafeln ist eine Zusammenstellung von Sternen und Sternbildern erhalten, die nach ihrem ersten Eintrag MUL.APIN genannt wird. Das sumerische mulAPIN heißt „Sternbild Pflug“, das nach moderner Interpretation das Sternbild Dreieck ist. Die im MUL.APIN überlieferte Liste entstand um das Jahr 1000 v. Chr., wobei einzelne Teile vermutlich mehrere Jahrhunderte älter sind.

Im MUL.APIN ist das Sternbild GU.LA verzeichnet, was „der Große“ bedeutet. Dies war ein Beiname eines Gottes, der auf akkadisch Ea („Wasserhaus“) und auf sumerisch Enki („Herr der Erde“) genannt wurde. Enki war einer der höchsten Gottheiten der sumerischen Glaubenswelt. Er galt als Gott des Süßwasserozeans, aber auch der Schöpfung, der Weisheit, der Magie, der Kunst und des Handwerks. Das Enki-Hauptheiligtum befand sich in der Stadt Eridu, einer der ältesten sumerische Städte, die damals am Ufer des Persischen Golfs lag. Der Kult dieses Gottes war jedoch rings um den Persischen Golf verbreitet und hielt sich mehrere Tausend Jahre lang. Auf Abbildungen wurde er als Herrscher gezeigt, von dessen Schultern zwei Wasserströme ausgehen, in denen sich manchmal Fische tummeln. Gelegentlich hält er einen oder zwei Krüge in seinen Händen, aus denen das Wasser fließt.

Aus dem griechischen Wasserspender wurde unser Wassermann

Dieses Sternbild, das den Gott Enki repräsentierte, griffen auch die Griechen auf. Im Almagest des Claudius Ptolemäus wird das Sternbild Hydrochóos (Ὑδροχόος) genannt, „der Wasserspender“ oder „der Wassergießer“. Nach Ptolemäus‘ Beschreibung sehen wir die Rückansicht dieses Mannes, wie er aus einem Gefäß in der Hand Wasser ausgießt. Diese Art der Darstellung übernahmen spätere Astronomen in ihren Himmelsatlanten. Deshalb sehen wir den Wassermann in dieser Pose auch in der Uranometria des Johann Bayer und in dem Sternatlas von Johannes Hevelius. Die ursprüngliche Bedeutung dieser Szene wurde uns aber nicht überliefert.

In der älteren arabischen Tradition muss das mesopotamische Vorbild ebenfalls nachgewirkt haben. Allerdings kam sie ohne die menschliche Gestalt beziehungsweise Gottheit aus. Das Sternbild hieß dort ad-dalw (الدَلْو), was einen ledernen Schöpfeimer bezeichnete, den man zum Wasserholen in einen Brunnen hineinlässt.

Gottheiten, die das Sternbild Wassermann darstellen, auf einem mesopotamischen Relief (links) und im ägyptischen Tierkreis von Dendera (rechts).

Der Wassermann auf einem mesopotamischen Relief (links) und im Tierkreisrelief aus dem ägyptischen Dendera (rechts). (Quelle: Wm. J. Hinke: A new boundary stone of Nebuchadrezzar I. of Nippur. Philadelphia 1907, S. 103)

Quellen:
  • Jeremy Black und Anthony Green: Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. An Illustrated Dictionary. London 1992
  • Teije de Jong: Astronomical dating of the rising star list in MUL.APIN.: In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 97, S. 107–120 (2007). (Preview)
  • Paul Kunitzsch (Hrsg): Claudius Ptolemäus: Der Sternkatalog des Almagest. Die arabisch-mittelalterliche Tradition. I. Die arabischen Übersetzungen. Wiesbaden 1986
  • John H. Rogers: Origins of the ancient constellations: I. The Mesopotamian traditions. Journal of the British Astronomical Association 108, S. 9-28 (1998). (Abstract)