Sternbild Bärenhüter (Bootes)

Der Bärenhüter (lateinisch Bootes) ist ein auffälliges Sternbild, das sich nördlich des Himmelsäquators über einen Deklinationsbereich von 48° erstreckt. Es ist für alle Orte nördlich einer geografischen Breite von 35° Süd sichtbar. In den Monaten Mai und Juni steht der Bärenhüter besonders günstig am Abendhimmel.

Arktur, der hellste Stern des Nordhimmels

Der hellste Stern im Bärenhüter, Arktur, ist mit einer scheinbaren Helligkeit von –0,05 mag zugleich der hellste Stern nördlich des Himmelsäquators. Nur Sirius und Canopus am Südhimmel leuchten noch heller. Als roter Riesenstern ist Arkturs orange-rote Farbe bereits mit bloßen Augen wahrzunehmen. Wir sehen ihn so hell, weil er nur 37 Lichtjahre von uns entfernt ist und etwa 110 Mal heller leuchtet als unsere Sonne.

Wegen seiner großen Helligkeit eignet sich Arktur auch, um andere Sternbilder am Himmel aufzufinden. Umgeben ist der Bärenhüter von acht Konstellationen: Großer Bär (Ursa Major), Jagdhunde (Canes Venatici), Haar der Berenike (Coma Berenices), Jungfrau (Virgo), Schlange (Serpens), Nördliche Krone (Corona Borealis), Herkules (Hercules) und Drache (Draco). Geht man von den Deichselsternen im Großen Wagen aus und folgt deren Krümmung in einem großen Bogen am Himmel, so gelangt man über Arktur bis zu Spica, dem hellsten Stern in der Jungfrau.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Bärenhüter einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds an.

Eine große Leere im Kosmos – der Bootes Void

In Richtung des Sternbilds Bärenhüter blicken wir fast senkrecht von der galaktischen Ebene weg. Deshalb finden wir dort nur wenige Sternhaufen oder Nebel. Und während einige der Nachbarsternbilder reich an Galaxien sind, liegt im Bärenhüter einer der größten kosmischen Leerräume. Diese weitgehend galaxienfreie Zone mit mehr als 200 Millionen Lichtjahren Durchmesser ist in der Fachliteratur als Bootes void bekannt. Sie wurde im Jahr 1981 von einer Forschungsgruppe um Robert P. Kirshner anhand von Rotverschiebungsmessungen entdeckt. In der Folgezeit entwickelte sich ein Gefühl dafür, wie bedeutsam solche Leerräume für die großräumige Struktur im Kosmos sind.

Der Bärenhüter (lat. Bootes) ist ein ausgedehntes Sternbild nördlich des Himmelsäquators, das mit Arktur den hellsten Stern des Nordhimmels enthält.

Die von den hellsten Sternen des Bärenhüters am Himmel gebildete Figur ist einem Kinderdrachen oder einer riesigen Eiswaffel (mit Beta Bootis als Spitze der Eiskugel) nicht unähnlich. (Bilder: Uwe Reichert)

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Besondere Himmelsobjekte

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Ursprung des Sternbilds Bärenhüter

Bären, die gehütet werden müssen? Was auf Erden kurios anmutet, ist am Himmel verwirklicht. Die Geschichte dahinter führt uns in die Anfänge unserer Kultur und der astronomischen Beobachtung.

Beginnen wir mit Claudius Ptolemäus, der uns mit seinem großen Werk, dem Almagest, einen Sternkatalog aus dem 2. Jahrhundert überliefert hat. Die darin enthaltenen 48 Sternbilder nennen wir die klassischen Konstellationen der Antike. Sie gehen teilweise auf ältere Sternbilder im vorderasiatischen Raum zurück. Manche wurden auch von den Griechen selbst eingeführt.

Ptolemäus verzeichnete das Sternbild unter dem griechischen Namen Boōtēs (βοώτης), was wörtlich „der mit Ochsen pflügt“ bedeutet. Er zählte 22 Sterne zu dieser Konstellation. Aber interessanterweise listete er den hellsten Stern, den er Arktúros (Ἀρκτοῦρος), Bärenhüter, nannte, separat auf.

Arktur kündigte die Weinlese und die Herbststürme an

Für die alten Griechen gehörte Arktur demnach nicht zum Sternbild Bootes, sondern er hatte eine eigene Bedeutung. Mit Arktúros bezeichneten sie nämlich auch den Herbstanfang. Denn Ende September wurde dieser helle Stern am Morgenhimmel, kurz vor Sonnenaufgang, erstmals wieder sichtbar. Dieser heliakische Aufgang des Arktur, sein Morgenerst, kennzeichnete also den Beginn einer neuen Jahreszeit. Bereits der griechische Dichter Hesiod hielt im 7. Jahrhundert v. Chr. diese kalendarische Bedeutung von Arktur für den Beginn der Weinlese in seinem Lehrgedicht Werke und Tage fest: „Erblickt den Arkturos die rosige Eos [die Morgenröte], dann … pflücke und bring nach Hause die Trauben.“

Eine weniger erbauliche Bedeutung hatte der akronychische Untergang des Arktur. Das ist der Zeitpunkt, zu dem Arktur letztmals in der Abenddämmerung tief im Westen für kurze Zeit sichtbar wird, bevor er unter dem Horizont verschwindet. Zu Hesiods Zeiten war das Ende Oktober der Fall. Um diese Jahreszeit begannen auf dem östlichen Mittelmeer die Herbststürme, die den Seefahrern erheblich zusetzten. Neben Hesiod hat auch der römische Komödiendichter Plautus (um 254 v. Chr. – um 184 v. Chr.) ein literarisches Zeugnis davon überliefert. Im Prolog seines Werkes Rudens (Das Schiffstau) ließ er den Stern Arktur als Gott höchstpersönlich auftreten, um die Leser in die Handlung einzuführen: „Ich ließ Sturm aufkommen und das Meer aufbrausen: Denn ich, Arktur, der ungestümste aller Sterne, bin wild schon im Aufgang, wilder noch beim Untergang.“

Bootes – vom Ochsentreiber zum Bärenhüter

Aus den unterschiedlichen Bedeutungen für Bootes und Arktur erklärt sich, warum für den Bärenhüter auch die alternative Namen Ochsentreiber oder Rinderhirte benutzt wurden. Aber wo sind die Ochsen, die er hütet oder zum Pflügen benutzt?

Die Ochsen waren in der Antike eine andere Deutung des Großen Wagens, der heute ein Teil vom Großen Bären ist. Der Große Wagen stand als Sinnbild für den Norden, weil diese zirkumstellare Figur täglich um den Polarstern kreist. Seine sieben Sterne waren als sieben Dreschochsen bekannt – im Lateinischen als septentriones auch ein Synonym für die Himmelsrichtung Norden. Unermüdlich drehten diese Ochsen ihre Kreise um den Himmelsnordpol, so wie Rinder auf einer Dreschtenne, die das Korn aus den Ähren des geernteten Getreides pressen. Und der Stern Arktur, und mit ihm das ganze Sternbild Bootes, folgt den Dreschochsen in einem größeren Kreis am Himmel nach.

Wohl erst, als die Griechen die Bilder des Großen und auch des Kleinen Wagens in ihrer Mythenwelt durch zwei Bärinnen ersetzten, ist aus Arktur ein Bärenhüter geworden. Durch die Aufteilung in Bootes und Arktur ließen die Griechen die ältere Deutung des Ochsentreibers und die ihrige des Bärenhüters fortleben.

In späterer Zeit haben sich auch die Attribute geändert, die der Figur des Bootes mitgegeben wurden. Laut Ptolemäus trägt er – so wie der Himmelsjäger Orion – eine Keule (κολλόροβος). Diese Beschreibung stimmt mit der bildlichen Darstellung überein, wie sie durch den Atlas Farnese, einem antiken Himmelsglobus aus römisch-griechischer Zeit überliefert ist. Spätere Darstellungen haben diese Keule mitunter durch einen Krummstab ersetzt, wie er für den Berufsstand der Hirten üblich war.

Vorläufer in Mesopotamien?

Unklar ist, ob die Griechen eine der Bedeutungen für Bootes aus dem mesopotamischen Raum übernommen hatten. Es gibt aber Hinweise darauf, dass auch im Zweistromland zwischen dem Sternbild und dem hellen Stern Arktur unterschieden wurde. Für Arktur ist der sumerische Name SHU.PA überliefert, dessen Bedeutung allerdings nicht bekannt ist. Der Stern war offenbar mit dem sumerischen und akkadischen Hauptgott Enlil verknüpft, der unter anderem als Herr der Winde und der Stürme galt, und der über das Schicksal der Menschen und des Landes entschied.

Ein weiterer Name, Shudun, was Joch bedeutet, war möglicherweise für das Sternbild Bootes in Gebrauch. Diese Bezeichnung legt eine Ähnlichkeit mit dem griechischen Ochsentreiber nahe.

Das Sternbild Bärenhüter (Bootes) im historischen Sternatlas von Johannes Hevelius.

Eine Seite aus dem Sternatlas von Johannes Hevelius zeigt das klassische Sternbild Bärenhüter (Bootes). Hevelius stellte die Sternbilder seitenverkehrt dar, so als würde man die Himmelskugel von außen betrachten. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Darstellung des Sternbilds Bärenhüter im Sternatlas von Johann Bayer.

Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Bärenhüter. Im Gegensatz zu Ptolemäus‘ Beschreibung trägt der Bärenhüter keine Keule, sondern einen Hirtenstab und eine Sichel. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)

Quellen:
  • Johan L. Heiberg: Claudii Ptolemaei Opera quae exstant omnia. Volumen I. Syntaxis Mathematica, Leipzig 1898-1903
  • John H. Rogers: Origins of the ancient constellations: I. The Mesopotamian traditions. In: Journal of the British Astronomical Association 108, S. 9-28 (1998). Abstract