Sternbild Kiel des Schiffes (Carina)

Der Kiel des Schiffes (lateinisch: Carina) ist ein Sternbild des Südhimmels. Gebräuchlich sind auch die Bezeichnungen Schiffskiel oder Kiel, wobei sich unter deutschsprachigen Sternfreunden der internationale Name Carina immer stärker durchsetzt.

Wegen der weit südlichen Lage des Sternbilds ist es von Europa aus nicht zu sehen. Nur für geografische Breiten südlich von 14° Nord steigt es vollständig über den Horizont. Auf der Südhalbkugel hingegen gehört Carina gemeinsam mit einigen Nachbarsternbildern zu den eindrucksvollsten Konstellationen. Das liegt an einem besonders prächtigen Teil der Milchstraße im Ostteil des Sternbilds. Zudem schimmert in der Nähe die Große Magellansche Wolke. In den Monaten Dezember bis April steht der Kiel des Schiffes günstig am Abendhimmel. Die Kulmination um Mitternacht erfolgt Ende Januar.

Canopus – zweithellster Stern am Himmel

Hellster Stern ist Canopus (Alpha Carinae, α Car) mit einer scheinbaren Helligkeit von –0,74 mag. Er liegt am nordwestlichen Rand des Sternbilds und geht somit in der täglichen Drehung des Nachthimmels um den Himmelssüdpol voran. Canopus ist zugleich der zweithellste Stern am gesamten Himmel. Nur Sirius im Großen Hund (Canis Major), der 36° weiter nördlich steht, leuchtet mit –1,46 mag noch etwas heller.

Für Beobachter in Europa ist Canopus das einzige Objekt im Kiel des Schiffes, das sie erspähen können: Von den Kanarischen Inseln aus ist der Stern in den Herbst- und Winternächten für kurze Zeit sichtbar. Für Gibraltar, Malta und Kreta allerdings steigt Canopus nur knapp über den Südhorizont.

Eines der interessantesten Objekte im Sternbild Kiel des Schiffes und eines der Highlights des südlichen Sternenhimmels ist Eta Carinae. Dieser extrem leuchtkräftige Veränderliche gehört zu den massereichsten Sternen in unserer Milchstraße. Er zeigt unregelmäßige Ausbrüche und ist in einen ausgedehnten Emissionsnebel eingebettet. Zudem sind in dem Sternbild mehrere offene und kugelförmige Sternhaufen zu finden.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Kiel des Schiffes einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds an.
Der Kiel des Schiffes (lat. Carina) ist ein Sternbild des Südhimmels in der Nähe der Großen Magellanschen Wolke.

Das Sternbild Kiel des Schiffes wird im Osten von einem besonders prächtigen Teil der Milchstraße durchzogen (links), während im Nordwesten mit Canopus (α Car) der zweithellste Stern des Himmels leuchtet. Auch die Große Magellansche Wolke (LMC = Large Magellanic Cloud) befindet sich in diesem Himmelsareal. (Bilder: Uwe Reichert)

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Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Kiel des Schiffes

Das Sternbild, das wir heute Carina beziehungsweise Kiel des Schiffes nennen, war einst Bestandteil des klassischen Sternbilds Argo Navis. Dieses nahm eine noch größere Fläche am Himmel ein als die Wasserschlange (Hydra), die heute das größte der 88 offiziellen Sternbilder ist. Dem französischen Astronomen Nicolas-Louis de Lacaille (1713 – 1762) war das zu unhandlich, so dass er Argo Navis in drei Teilbilder zerlegte: in das Achterschiff (Puppis), das Segel des Schiffes (Vela) und den Kiel des Schiffes (Carina). Bereits zuvor hatte Lacaille – neben 13 weiteren Sternbildern – das Sternbild Kompass (Pyxis) eingeführt, das er an eine Stelle des Himmels platzierte, an der früher der Mast des Schiffs Argo gesehen wurde.

Argo Navis ist damit das einzige der 48 aus der Antike überlieferten Sternbilder, das heute nicht mehr benutzt wird – wenngleich sich die Einzelteile des Schiffes noch immer am Himmel befinden. Carina, Vela, Puppis und Pyxis wurden von der Internationalen Astronomischen Union als offizielle Sternbilder anerkannt.

Als Lacaille das Sternbild Argo Navis zerlegte, behielt er die zuvor vergebenen Bayer-Bezeichnungen für die Sterne bei. Deshalb kommt jeder griechische Buchstabe in den drei Sternbildern Carina, Puppis und Vela nur einmal vor. Alpha und Beta bezeichnen daher die hellsten Sterne im Kiel des Schiffes (α und β Car), während sich Gamma und Delta im Segel des Schiffes befinden (γ und δ Velorum). Der Stern Epsilon (ε Car) liegt ebenfalls im Kiel des Schiffes, während Zeta (ζ Pup) der hellste Stern im Achterschiff ist.

Canopus – ein Indikator für die Kugelgestalt der Erde

Claudius Ptolemäus, der im 2. Jahrhundert die 48 klassischen Sternbilder in seinem Katalog, dem Almagest, zusammenstellte, nannte das Sternbild schlicht Argo (Άργώ). Dies war der Name des legendären Schiffes, mit dem fünfzig griechische Helden – die Argonauten – nach Kolchis im Schwarzen Meer reisten, um dort das Goldene Vlies zu holen.

Der in Alexandria im heutigen Ägypten tätige Ptolemäus listete im Almagest 45 Sterne in dieser ausgedehnten Konstellation auf. Davon entfielen aber nur drei auf das heutige Sternbild Carina, dem südlichsten Teil von Argo Navis. Darunter befand sich natürlich Canopus. Dieser helle Stern erhob sich zu Ptolemäus‘ Zeiten von Alexandria aus gesehen knapp 7° über den Südhorizont. Wenn Canopus in den Winternächten für kurze Zeit sichtbar wurde, standen prägnant die Sternbilder Orion und Großer Hund über ihm am Himmel. Kurz bevor Canopus unterging, prangte das gesamte Schiff Argo am Firmament, das am Horizont entlang zu segeln schien. In der bildlichen Darstellung repräsentierte Canopus eines der Heckruder des Schiffes.

Vom griechischen Festland war Canopus – und somit auch das gesamte Teilsternbild Carina – allerdings zu keiner Zeit sichtbar. Infolge der Präzession der Erde konnte der Stern erst um das Jahr 1000 v. Chr. von den südlichsten Inseln des Ägäischen Meeres erblickt werden, und dann auch nur für wenige Minuten um seine obere Kulmination. Noch kurz nach der Zeitenwende schrieb der römische Autor Manilius in seinem Werk Astronomica: „Du wirst den Canopus nirgendwo leuchten sehen, bis du über das Meer an die Ufer des Nils gelangt bist.“ Es ist sicherlich kein Zufall, dass Manilius den Stern in einem Abschnitt seines Buchs erwähnt, in dem er die Kugelgestalt der Erde beschreibt und diese mit astronomischen Indizien begründet: Canopus war für die seefahrenden Völker des Mittelmeerraums ein eindrückliches Beispiel, dass bei einer Fahrt nach Süden neue Sterne sichtbar werden.

Der griechische Mythos überdeckte den ägyptischen

Folgt man dem griechischen Mythos, so wurde der Stern nach Kanobos benannt, einem Steuermann in Diensten des spartanischen Königs Menelaos. Beide wurden nach dem Trojanischen Krieg mit ihrem Schiff nach Ägypten verschlagen, wo Kanobos auf einer Insel im Nildelta verstarb, die später seinen Namen trug. Doch ob nun dieser Kanobos eine historische Person war oder nicht: Der Ort, wo er verstorben sein soll, trug schon lange vor dem Trojanischen Krieg einen Namen, der im Griechischen zu Kanobos und im Lateinischen zu Canopus wurde. Er geht auf das ägyptische Kah-nub zurück, was sich mit „goldenes Gefilde“ übersetzen lässt.

So wie der Name des antiken Orts an der Nilmündung wurde auch der Name des Sternbilds von einem griechischen Mythos überlagert. Denn was die Griechen als das sagenhaft schnelle Schiff der Argonauten ansahen, war für die Ägypter das Boot des Osiris. Darauf weist bereits der griechische Autor Plutarch (um 45 – 125) in seinem Werk Über Isis und Osiris hin: Den Ägyptern zufolge sei das Schiff, das die Griechen Argo nennen, das verstirnte Abbild des Fahrzeugs des Osiris. Dieses kreise nicht weit entfernt vom Orion und vom Großen Hund, in denen die Ägypter den Gott Horus und die Göttin Isis sahen.

Darstellung des antiken Sternbilds Argo Navis im Sternatlas von Johann Bayer.

Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Argo in der von Ptolemäus beschriebenen Weise. Die Darstellung des Argonauten-Schiffs schmückte er mit Details aus der Argonautensage aus. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)

Darstellung des antiken Sternbilds Argo Navis im Sternatlas von Johannes Hevelius.

Auch der Sternatlas von Johannes Hevelius aus dem Jahr 1690 zeigt das klassische Sternbild Argo in der von Ptolemäus beschriebenen Weise: als Schiff der Argonauten, von dem man nur das Heck sieht. Neben den neuzeitlichen Sternbildern Taube (Columba) und Fliegender Fisch (hier Piscis Volans genannt) fügte Hevelius auch die von Edmond Halley vorgeschlagene Konstellation Karlseiche (Robur Carolinum) ein.. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Quellen:
  • Theodorus Breiter (Hrsg.): M. Manilius Astronomica. Text und Kommentar. Leipzig 1908. (Internet Archive)
  • Johan L. Heiberg: Claudii Ptolemaei Opera quae exstant omnia. Volumen I. Syntaxis Mathematica, Leipzig 1898-1903
  • Plutarch: Über Isis und Osiris, 2. Teil. Die Deutungen der Sage. Übersetzung und Kommentar von Theodor Hopfner. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1941. Darmstadt, 1967
  • Jo. Conrad Schaubach: Eratosthenis Catasterismi cum Interpretatione Latina et Commentario. Göttingen 1795. (Internet Archive )