Sternbild Leier (Lyra)

Die Leier (lateinisch: Lyra) ist ein kleines, aber markantes Sternbild des Nordhimmels. Von Mitteleuropa aus ist es von April bis Dezember gut am Abendhimmel zu sehen. Die Kulmination um Mitternacht erfolgt Anfang Juli.

Hellster Stern ist die Wega (Alpha Lyrae, α Lyr) mit einer scheinbaren Helligkeit von 0,03 mag. Damit ist sie fast so hell wie Arktur im Bärenhüter (Bootes), der hellste Stern am Nordhimmel. Nur zwei weitere Sterne sind heller als 4. Magnitude, Doch weil diese mit zwei weiteren Sternen ein fast perfektes Parallelogramm bilden, ist die Leier auch leicht an ihrer Form zu erkennen.

Gemeinsam mit den Sternen Deneb im Schwan (Cygnus) und Atair im Adler (Aquila) bildet Wega das so genannte Sommerdreieck am Nordhimmel. Diese drei Sterne erscheinen in den sommerlichen Nächten der Nordhemisphäre als erste in der Abenddämmerung. Deshalb spielte diese Konfiguration früher eine bedeutende Rolle für die Navigation auf See.

Mit dem Ringnebel M 57 und dem Kugelsternhaufen M 56 enthält die Leier zwei der sehenswerten Messierobjekte. Daneben sind einige Doppelsterne bereits mit kleinen Amateurteleskopen zu beobachten. Auch verschiedene Typen von veränderlichen Sternen sind in der Leier vorhanden. Das Sternbild ist zudem Ausgangspunkt der Lyriden, eines Meteorstroms, der im April aktiv ist.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Leier einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds an.
Die Leier (lat. Lyra) ist ein kleines, aber markantes Sternbild des Nordhimmels.

Das Sternbild Leier ist nicht groß, aber sehr markant. Neben Wega, dem zweithellsten Stern des Nordhimmels, befinden sich vier Sterne 3. und 4. Magnitude, die ein fast perfektes Parallelogramm bilden. (Bilder: Uwe Reichert)

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Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Leier

Die Leier ist eines der 48 aus der Antike überlieferten Sternbilder. Claudius Ptolemäus hat sie im 2. Jahrhundert in seinem Sternkatalog, dem Almagest, beschrieben. Der alexandrinische Astronom nannte sowohl das Sternbild als auch dessen hellsten Stern, den wir heute als Wega kennen, Lyra (Λύρα). Dies war der Name eines antiken Musikinstruments, bei dem die Saiten über den Panzer einer Schildkröte gespannt wurden, der als Resonanzkörper fungierte. Die Lyra ähnelte der Kithara, doch letztere war größer und hatte einen Fuß, auf der das Instrument gestützt werden konnte.

Der Erfinder der Lyra soll Hermes sein, ein Sohn des Zeus und der Maia, die in der griechischen Mythologie eine der sieben Plejaden ist. Hermes galt als erfindungsreich, verschlagen und einem raschen Gewinn nicht abgeneigt. Wegen dieser Eigenschaften verehrten ihn die Händler ebenso wie die Diebe. In den homerischen Hymnen wird Erstaunliches über ihn berichtet: Noch am Tag seiner Geburt soll er aus seiner Wiege geklettert sein, um die Rinder seines Halbbruders Apollon zu stehlen. Doch auf dem Weg dorthin fand er eine Schildkröte, die er ausnahm, um aus ihrem Panzer und mit Hilfe von Stierhörnern und sieben Saiten aus Schafsdärmen die erste Leier zu erschaffen. Nach dem anschließenden Diebstahl der Rinder kam ihm Apollon auf die Schliche. Doch Hermes gelang es, ihm zum Tausch die Leier anzubieten. So behielt Hermes die Rinder, und die Leier war fortan eines der Attribute des Apollon, die ihn auch zum Gott der Musik und des Gesangs machte.

Wega – ein fallender Adler

Eben jene erste Leier soll es sein, die nun am Himmel zu sehen ist. Doch warum zeigen historische Sternkarten wie diejenigen von Johann Bayer und Johannes Hevelius einen Greifvogel in Verbindung mit dem Musikinstrument?

Mit dem Greifvogel mischt sich ein anderes Bild mit der Leier, das auf den arabischen Kulturkreis zurückgeht. Die arabischen Gelehrten, die die Schriften des Ptolemäus in ihre Sprache übersetzten und die letztlich dafür sorgten, dass das alte Wissen der Griechen auch nach Europa vermittelt wurde, gaben gelegentlich Hinweise auf die eigenen traditionellen Sternbilder. So sahen die alten Araber an der Stelle der Leier einen herabstürzenden Adler mit zusammengelegten Flügeln. Auf arabisch: an-nasr al-wāqi (النسر الواقع). Aus al-wāqi, der Fallende, entwickelte sich der Name Wega, der heute für den hellsten Stern des Sternbilds benutzt wird.

In Unterscheidung zum Adler, der bereits im benachbarten Sternbild Aquila am Himmel verewigt war, machten europäische Astronomen aus dem fallenden Adler einen fallenden Geier. So ist ein von Johannes Stöffler gefertigter Himmelsglobus aus dem Jahr 1493 erhalten, der das Sternbild Leier als Vultur cadens, herabstürzender Geier, bezeichnet. Spätere Astronomen wie Johann Bayer und Johannes Hevelius übernahmen diese Darstellung, und sie banden dem Greifvogel eine Leier um. Erst die moderne Wissenschaft entledigte sich komplett dieser figürlichen Darstellungen.

Darstellung des Sternbilds Leier im Sternatlas von Johann Bayer.

Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Leier als Musikinstrument, das an einen Geier gebunden ist. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)

Quellen:
  • Paul Kunitzsch (Hrsg.): Claudius Ptolemäus: Der Sternkatalog des Almagest. Die arabisch-mittelalterliche Tradition. I. Die arabischen Übersetzungen. Wiesbaden 1986
  • Günther Oestmann: Schicksalsdeutung und Astronomie: Der Himmelsglobus des Johannes Stoeffler von 1493. Stuttgart 1993
  • Gotthard Strohmaier: Die Sterne des Abd ar-Rahmnan as-Sufi. Müller & Kiepenheuer, Hanau 1984