Sternbild Walfisch (Cetus)

Der Walfisch (lateinisch Cetus) ist ein sehr ausgedehntes Sternbild und das viertgrößte am Himmel. Seine hellsten Sterne erreichen jedoch nur die 2. und 3. Helligkeitsklasse und bilden keine markante Figur. Mit etwas Fantasie lassen sich aber die Umrisse eines Körpers mit langem Hals und kugeligem Kopf in die helleren Sterne hineindeuten. Im Altertum stellte diese Konstellation ein furchterregendes Meeresungeheuer dar.

Wegen seiner Lage am Himmelsäquator ist das Sternbild von allen bewohnten Gegenden der Erde aus sichtbar. Von Europa aus ist der Walfisch im Herbst tief über dem Südhorizont zu sehen. In den Monaten Oktober bis Dezember steht er am günstigsten am Abendhimmel. Von der Südhalbkugel der Erde aus erreicht das Sternbild größere Höhen über dem Horizont.

Im Westen und Norden an den Walfisch angrenzend befinden sich die Tierkreissternbilder Wassermann, Fische, Widder und Stier. Da die Ekliptik die moderne Grenze des Walfischs nur knapp verfehlt, ziehen manchmal auch der Mond, die Planeten und diverse Asteroiden durch den nördlichen Bereich dieses Sternbilds.

Der bekannteste Stern im Walfisch ist Omikron Ceti (ο Cet) oder Mira („die Wundersame“). Mira ist der erste Stern, bei dem europäische Astronomen eine periodische Änderung der Helligkeit bemerkten. Nach dem Prototyp Mira wurde später eine ganze Gruppe von langperiodischen Veränderlichen benannt.

Der 3,5­ mag helle Stern Tau Ceti (τ Ceti) ist insofern bemerkenswert, als er einer der mit bloßen Augen sichtbaren nächsten Nachbarn der Sonne ist. Sein Abstand zu uns beträgt 11,9 Lichtjahre. Er ist ein gelber Zwergstern, der unserer Sonne sehr ähnelt. Er wird offenbar von mindestens vier Planeten umkreist, wie Radialgeschwindigkeitsmessungen ergeben haben.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Walfisch einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds Walfisch an.
Vom Sternhaufen der Plejaden links oben lässt sich das ausgedehnte, aber unauffällige Sternbild Walfisch aufsuchen, das den unteren Teil des Bildes einnimmt. Hellstes Objekt im Bild ist der Planet Mars, der oberhalb des Walfisch steht.

Südlich der Tierkreissternbilder Fische, Widder und Stier liegt das ausgedehnte, aber unauffällige Sternbild Walfisch. Die Planeten ziehen somit nördlich am Walfisch vorbei,  der nach ihnen zu schnappen scheint. Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand Mars, das hellste Objekt im Bild, im Sternbild Fische, Uranus im Sternbild Widder. Oben links im Bild ist der Sternhaufen der Plejaden im Stier zu sehen. (Bilder: Uwe Reichert)

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Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Walfisch

Der Walfisch (Cetus) gehört zu den 48 aus der Antike überlieferten Sternbildern. Ptolemäus führte es im 2. Jahrhundert in seinem Sternkatalog als das Meerungeheuer Ketos auf. Die in der Nähe des Himmelsäquators gelegenen Sterne im nordöstlichen Bereich des Sternbilds ordnete er dem Kopf und dem Maul des schlangenähnlichen Untiers zu. Unmittelbar südlich der Ekliptik gelegen, scheint Ketos nach den Planeten zu schnappen, die gelegentlich über ihn hinwegziehen – und vielleicht sogar nach den Plejaden. Dieser offene Sternhaufen markierte in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. – um die Zeit, als im mesopotamischen Raum die Sternbilder entstanden – ziemlich genau die Lage des Frühlingspunkts, also den Schnittpunkt zwischen Himmelsäquator und Ekliptik.

Interessant ist, dass sich von den 22 Sternen, die Ptolemäus dem Ketos zuordnet, keiner mit dem Veränderlichen Mira im Halsbereich des Ungeheuers in Verbindung bringen lässt. Entweder war Mira, die im Helligkeitsmaximum etwa so hell werden kann wie Alpha Ceti im Maul des Untiers, im Altertum nicht bekannt, oder ihre nicht erklärbare Veränderlichkeit war gerade der Grund, warum sie verschwiegen wurde. Auch könnte dies – zusammen mit der Lage des Sternbilds – erklären, warum mit dem Walfisch in allen vorderasiatischen und mediterranen Kulturen negative Bedeutungen assoziiert wurden. Ähnliches gilt für den veränderlichen Stern Algol im Perseus, der im griechischen Mythos das Medusenhaupt darstellt und jeden versteinert, der es erblickt.

Meeresungeheuer Ketos

Tatsächlich ist Ketos in der griechischen Sage mit den Sternbildern Perseus, Andromeda, Kepheus und Kassiopeia verbunden. Ketos war darin das Seeungeheuer, das der Meeresgott Poseidon ausgeschickt hatte, um das an der Ostküste des Mittelmeers gelegene Reich des Königs Kepheus zu verwüsten. Damit sollte Kepheus‘ Gemahlin Kassiopeia für ihren Hochmut bestraft werden. Einem Orakelspruch zufolge konnte das Untier nur besänftigt werden, wenn ihm Andromeda, die einzige Tochter von Kepheus und Kassiopeia, geopfert würde. So kam es, dass das junge Mädchen für die vermessenen Reden seiner Mutter büßen sollte und am Gestade des Landes mit den Armen an einen Felsen geschmiedet wurde.

In dieser misslichen Situation wurde Andromeda von Perseus entdeckt, der von ihrem Liebreiz sofort sehr angetan war. Perseus hatte gerade am Ende der Welt mit göttlicher Unterstützung Medusa, eine der drei Gorgonen, getötet und ihr schlangenumringeltes Haupt erbeutet, bei dessen Anblick alles Lebende sofort zu Stein erstarrte. Mit Flügelschuhen ausgerüstet flog der Held nun wieder seiner Heimat entgegen, als er von hoch oben Andromedas zarte Gestalt gewahrte. Nur ihr wehendes Haar und ihre Tränen, so erzählt der römische Dichter Ovid in seinen „Metamorphosen“, ließen Perseus erkennen, dass sie ein menschliches Wesen und keine Marmorstatue war. Er landete, erfragte den Grund ihrer Pein und versprach, sie zu retten. Rasch forderte er von Kepheus und Kassiopeia, die am Ufer stehend das Schicksal ihrer Tochter beweinten, zum Lohn das Versprechen ein, das Mädchen zur Frau nehmen zu dürfen.

Als das Ungeheuer sich näherte, erhob sich Perseus wieder in die Lüfte, verwirrte es mit seinem Schatten, der auf die Oberfläche des Wassers fiel, stürzte sich wie ein Greifvogel von hinten auf die Bestie herab und stieß mit seinem Schwert zu. Nach kurzem Kampf hatte er das Monster besiegt, Kepheus’ Reich gerettet und Andromeda zur Frau gewonnen.

Vorläufer der Perseus-Sage

Die von den Schriftstellern der römischen und griechischen Antike überlieferte Erzählung hat ältere Vorgänger aus dem vorderasiatischen Raum. So findet sich dasselbe Motiv bereits in einem altsyrischen Mythos, der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. in hethitischer Sprache auf Keilschrifttafeln niedergeschrieben wurde und der besonders die erotische Komponente der Geschichte betont.

In jener Erzählung, die aus dem Westen Nordsyriens stammt, ist es der Meeresdrachen Hedammu, der die Götter und Menschen mit seiner wahrhaft ungeheuerlichen Gefräßigkeit plagt. Voller Verzweiflung ruft der weinende Wettergott, der stolze König des Kosmos, seine Schwester Ischtar um Hilfe. Die Liebesgöttin versucht, das Monster mit ihrer unwiderstehlichen Weiblichkeit unschädlich zu machen. Sie badet, salbt sich mit feinem Parfüm und geht, begleitet von ihren Dienerinnen Ninatta und Kulitta, an den Strand des Meeres, wo sie sich dem Untier nackt präsentiert. Hedammu, von dem Anblick der Göttin und der lieblichen Musik ihrer Dienerinnen betört, vergisst seine Gefräßigkeit. Als Ischtar wohlriechende Ingredienzien und Aphrodisiaka zu ihm ins Wasser schüttet, werden Hedammus Sinne vollends vernebelt, und benommen und lüstern kommt er ans Ufer gekrochen. Dort wird er schließlich von dem Wettergott überwältigt, der damit die kosmische Ordnung wieder herstellt.

Vor seinem Ende gelingt es Hedammu aber dem Mythos zufolge noch, mit dem Bauche 70 Städte zu vernichten und „Haufen von Köpfen aufzuhäufen“.

Quellen:
  • Volkert Haas: Babylonischer Liebesgarten. Erotik und Sexualität im Alten Orient.  C.H. Beck, 1999
  • J. Siegelová: Appu-Märchen und Hedammu-Mythos, Studien zu den Bogazkköy-Texten, Wiesbaden 1971
  • A. Ünal: Hethitisch-altanatolische Mythen, Legenden, Epen und Märchen aus dem Staatsarchiv von Hattuscha. In: Mythen und Epen II, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Band III.4, Gütersloh 1994
  • Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, Leiden, New York 1994
In dem Sternbild Walfisch wurde seit der Antike eine Meeresungeheuer gesehen, das in Sternatlanten als Mischung verschiedener Fabelwesen dargestellt wurde - hier mit Drachenkopf, krallenbewehrten Vorderpfoten und einem schlagkräftigen Fischschwanz.

Das Sternbild Walfisch, seit der Antike als Meeresungeheuer angesehen, wurde in Sternatlanten als Mischung verschiedener Fabelwesen dargestellt – hier mit Drachenkopf, krallenbewehrten Vorderpranken und schlagkräftigem Fischschwanz. Johannes Hevelius (1611-1687), aus dessen Atlas dieses Bild stammt, stellte die Sternbilder seitenverkehrt dar, nämlich so, wie man sie von außen betrachtet auf einem Himmelsglobus sehen würde. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Zwei vertikal angeordnete "Seeleopardinnen", die alle Merkmale des Meeresungeheuers Ketos aufweisen, schmückten in römischer Zeit als Türgriffe ein Prunkportal in der Stadt Ladenburg

Zwei als „Seeleopardinnen“ bezeichnete Messingbeschläge, die alle Merkmale des Meeresungeheuers Ketos aufweisen, schmückten in römischer Zeit als Türgriffe ein Prunkportal in der Stadt Ladenburg im heutigen Baden-Württemberg. Die im Lobdengau-Museum in Ladenburg zu sehende Rekonstruktion des Portals besteht aus Holz und Kunststoff. (Bild: Gabriele Pauli/Lobdengau-Museum der Stadt Ladenburg, mit freundlicher Genehmigung)