Sternbild Großer Bär (Ursa Major)

Der Große Bär (lateinisch Ursa Major) ist ein ausgedehntes Sternbild am Nordhimmel. Er gehört zu den bekanntesten Konstellationen, weil er die aus sieben hellen Sternen bestehende Gruppe enthält, die im deutschen Sprachraum als Großer Wagen bezeichnet wird. Der Große Wagen selbst ist aber kein Sternbild, sondern ein Asterismus – so nennt man eine Gruppe von Sternen, die ein auffälliges Muster erkennen lässt. Volkstümlich wird der Große Wagen auch als Pflug oder – in Nordamerika – als Schöpfkelle (Big Dipper) angesehen.

Der Große Bär (Ursa Major) ist ein ausgedehntes Sternbild am Nordhimmel, das eine der bekanntesten Sternkonfigurationen enthält, den aus sieben Sternen bestehenden Großen Wagen.

Die Sternkonfiguration des Großen Wagens ist nur ein kleiner Teil des Sternbilds Großer Bär. Mit etwas Fantasie lässt sich tatsächlich der Umriss eines Bären erkennen – allerdings mit einem unnatürlich langgezogenen Schwanz. (Bilder: Uwe Reichert)

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Der Große Bär – das drittgrößte Sternbild

Als drittgrößtes Sternbild am Himmel – nach der Wasserschlange und der Jungfrau – umfasst der Große Bär eine Fläche von etwa 1280 Quadratgrad. Das entspricht der rund 6500-fachen Fläche des Vollmonds. Wegen dieser großen Ausdehnung ist das Sternbild auch nur für einen kleinen Bereich der Erde aus zirkumpolar, nämlich für Skandinavien, das nördliche Sibirien, Alaska und Teile von Kanada und Grönland. Dennoch ist der Große Bär von Europa aus praktisch in jeder Nacht gut am Himmel zu sehen. Insbesondere der Große Wagen bleibt bis in den nördlichen Mittelmeerraum stets über dem Horizont. Die Kulmination des Sternbilds um Mitternacht erfolgt Mitte März.

Nachbarsternbilder sind der Drache (Draco), die Giraffe (Camelopardalis), der Luchs (Lynx), der Kleine Löwe (Leo Minor), der Löwe (Leo), das Haar der Berenike (Coma Berenices), die Jagdhunde (Canes Venatici) und der Bärenhüter (Bootes).

Der Große Bär enthält eine Reihe von interessanten Beobachtungsobjekten. Darunter befinden sich Doppelsterne ebenso wie Galaxien und planetarische Nebel. Allein sieben Messierobjekte gibt es hier: das Galaxienduo M 81/82, die Spiralgalaxien M 101, M 108 und M 109, den planetarischen Nebel M 96 sowie den optischen Doppelstern M 40, der von Charles Messier fälschlicherweise für ein nebelförmiges Gebilde gehalten wurde.

Im Großen Bären wurde auch der erste Quasar gefunden, dessen Bild durch den Gravitationslinseneffekt aufgespalten wird. Mit diesem fünf Milliarden Lichtjahre entfernten Zwillingsquasar bietet dieses Sternbild auch eines der fernsten Objekte, die sich mit großen Amateurteleskopen erkennen lassen.

Links zeigt eine mit Koordinaten versehene Karte eines Himmelsausschnitts weiße Sterne auf hellblauem Hintergrund. Die Fläche, die das Sternbild Großer Bär einnimmt, ist dunkelblau hervorgehoben. Eine Tabelle rechts gibt wichtige Daten des Sternbilds an.

Der Große Wagen – ein bekannter Asterismus

Zu den sieben Sternen des Großen Wagens gehören die sechs hellsten Sterne im Großen Bären (s. Tabelle). Wegen ihrer Auffälligkeit sind auch die aus dem Arabischen abgeleiteten Eigennamen  gebräuchlich. Alkaid, Mizar (mit seinem Begleiter Alcor) und Alioth bilden die Deichsel des Wagens. Die vier Sterne Megrez, Phecda, Merak und Dubhe formen den Kasten des Wagens. Megrez, der an der Verbingungsstelle zwischen Deichsel und Kasten liegt, ist mit 3,3 mag der lichtschwächste der sieben Wagensterne.

Mit Hilfe der beiden hinteren Kastensterne, Merak und Dubhe (Beta und Alpha Ursae Majoris), lässt sich leicht der Himmelsnordpol auffinden: Ihre gedachte Verbindungslinie zeigt in Verlängerung direkt auf den Polarstern, der nur 0,7° vom Himmelsnordpol entfernt liegt. Mit dieser Methode lässt sich nachts leicht die geografische Nordrichtung feststellen.

Der mittlere Deichselstern, Mizar, enthält im Winkelabstand von 12 Bogenminuten einen 4,0 mag hellen Begleiter. Dieser ist unter seinem Namen Alcor bekannt, wird umgangssprachlich aber auch „Augenprüfer“ oder „Reiterlein“ genannt. Denn in einer dunklen, klaren Nacht lassen sich Mizar und Alcor bereits mit freiem Auge getrennt sehen. Sie bilden auch physisch einen Doppelstern. Mit technischen Mitteln wurde nachgewiesen, dass es sich um ein komplex aufgebautes Mehrfachsternsystem handelt.

Mit Hilfe des nördlichen Polarsterns Polaris lässt sich in der Nacht die Nordrichtung bestimmen, indem man von ihm eine senkrechte Linie zum Horizont zieht. Wenn der Große Wagen zu sehen ist, lässt sich durch Verlängern der Linie der beiden hinteren Kastensterne Polaris leicht auffinden.

Mit Hilfe des Großen Wagens lässt sich leicht der Polarstern finden, indem man die gedachte Verbindungslinie zwischen den beiden hinteren Kastensternen des Großen Wagens etwa fünfmal verlängert. Eine senkrechte Linie von Polaris zum Horizont gibt die Nordrichtung an. (Bild: Uwe Reichert)

Die Sterne des Großen Wagens

Bayer-Bezeichnung
Name
scheinbare Helligkeit
Entfernung
Spektraltyp
Bemerkung
Alpha (α UMa)
Dubhe
1,79 mag (1,87 + 4,87 mag)
38 pc = 123 Lj
G9III + A7,5
Doppelstern
Beta (β UMa)
Merak
2,37 mag
24 pc = 80 Lj
A1IVps
 
Gamma (γ UMa)
Phecda
2,44 mag
25,5 pc = 83 Lj
A0Ve
 
Delta (δ UMa)
Megrez
3,32 mag
25 pc = 81 Lj
A2Vn
 
Epsilon (ε UMa)
Alioth
1,77 mag
25 pc = 82 Lj
A1III-IVpkB9
α² CVn-Veränderlicher
Zeta (ζ UMa)
Mizar
2,06 mag (2,22 + 3,88 mag)
26 pc = 85 Lj
A1,5Vas + kA1h(eA)mA7IV-V
Mehrfachstern
Eta (η UMa)
Alkaid
1,86 mag
32 pc = 104 Lj
B3V
 

Besondere Himmelsobjekte

Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.

Ursprung des Sternbilds Großer Bär

Der Große Bär gehört zu den 48 aus der Antike überlieferten Sternbildern. Dies ist wenig überraschend, denn es gibt kein Sternbild, das für die frühen Kulturen der nördlichen Hemisphäre so bedeutend war wie dieses. Dies gilt insbesondere für seine sieben hellen und auffallend konfigurierten Sterne, die den Großen Wagen bilden. In allen Gegenden, in denen diese Sternengruppe zirkumpolar war, bildete sie ein Symbol für die Beständigkeit und den Kreislauf der Natur und des Lebens. Nacht für Nacht drehte sich der Wagen um den Himmelspol, mit seiner Hilfe ließ sich die Nordrichtung bestimmen und anhand seiner Stellung auch die Zeit.

Der Große Wagen in verschiedenen Kulturen

Im deutschen Sprachraum wird die markante Gruppe aus sieben hellen Sternen im Großen Bären als Großer Wagen angesehen – gewissermaßen als Gegenstück zum Kleinen Wagen im Kleinen Bären, dessen Sterne zufälligerweise ähnlich konfiguriert sind. Auch die Interpretation als Pflug ist üblich.

In Nordamerika wird dieser Asterismus als Big Dipper, „Schöpfkelle“, bezeichnet. Auch in der traditionellen chinesischen Astronomie war der Große Wagen ein Schöpfgerät: Er hieß Běi Dǒu (北斗), was „Nördlicher Löffel“ bedeutet. (Die Chinesen kannten auch einen Löffel, der einem Asterismus im Sternbild Herkules zugeordnet wurde, sowie einen weiteren Löffel im Sternbild Schütze.)

In Litauen, wo sich die Volksmythen wegen der erst im hohen Mittelalter erfolgten Christianisierung länger im Bewusstsein der Bevölkerung hielten als anderswo in Europa, hieß der Große Wagen einerseits arklys (Pferd), andererseits grįžulas. Letzteres bezeichnete eine kreisförmige Bahn, die zum Zureiten der Pferde genutzt wurde, beziehungsweise eine kreisförmige, von Pferden gezogene Vorrichtung in einer Scheune zum Dreschen des Getreides.

Auch die Römer sahen offenbar eine solche Konstruktion in der Sternengruppe, die täglich um den Himmelspol kreist: Sie nannten sie septemtriones, die sieben Dreschochsen.

Eine aus Bulgarien überlieferte Legende verknüpft den Wagen, die Ochsen und den Bären zu einer Geschichte: Ein Mann fuhr mit seinem Ochsenwagen in den Wald, um dort Holz zu schlagen. Während seiner Tätigkeit ließ er die Zugtiere weiden. Da kam ein hungriger Bär und fraß einen der Ochsen. Zornig überwältigte der kräftige Mann den Bären und spannte ihn anstelle des getöteten Ochsen vor den Wagen. Doch der Bär zerrte den Wagen hin und her, bis er krumm und schief war – so, wie man ihn jetzt am Himmel sieht.

Im arabisch-afrikanischen Raum herrschte ein anderes Motiv vor: Hier sah man in den Deichselsternen Klageweiber, die einer Totenbahre folgen. Die Mythen, die damit verbunden waren, lieferten zum Teil auch Erklärungen für die astronomischen Befunde. So ist aus dem Osten Afrikas eine Erzählung überliefert, nach der die sieben Sterne des Großen Wagens sieben Brüder waren. Als einer von ihnen ermordet wurde und sein Licht zu verlöschen drohte, legten die anderen ihn auf eine Bahre. Drei der Brüder trugen das vordere Ende der Bahre, die anderen drei hielten das hintere Ende. Seitdem tragen sie ihren verstorbenen Bruder in der Mitte und werden ihn erst begraben, wenn sie seinen Tod gerächt haben. Diese Geschichte bietet eine mythologische Begründung dafür, dass der Stern Delta Ursae Majoris (Megrez) deutlich lichtschwächer ist als die anderen sechs des Großen Wagens.

Darstellung des Sternbilds Großer Bär im Sternatlas von Johann Bayer.

Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Großer Bär nach der Beschreibung von Claudius Ptolemäus. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)

Das Sternbild Großer Bär im historischen Sternatlas von Johannes Hevelius.

Der Große Bär im Atlas des Astronomen Johannes Hevelius (1611-1687), der die Sternbilder seitenverkehrt darstellte – so, als würde man die Himmelskugel von außen betrachten. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)

Wie kamen die Bären an den Himmel?

Auch die Deutung als Bären für den Kleinen und den Großen Wagen geht auf früheste Zeiten zurück. Während die ersten Sternbilder des Tierkreises auf Beobachtungen in der Gegend des fruchtbaren Halbmonds basieren, die bis ins 3. und 4. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen, ist das Bild des Bären noch deutlich älter. Auffällig ist, dass verschiedene Völker und Kulturen in der borealen Zone Eurasiens und Nordamerikas ein solches Raubtier im Sternbild Ursa Major sahen.

So erkannten beispielsweise einige nordamerikanische Völker in dem Kasten des Großen Wagens einen Bären, der von drei Jägern – den Deichselsternen – verfolgt wurde. Da diese Sternengruppe im Herbst abends tief über dem Horizont steht, sagte man, die Jäger hätten den Bären verwundet, und sein Blut würde die Blätter der Bäume rot färben.

Ein Problem für die Forschung ist, dass sie sich nicht auf schriftliche Zeugnisse stützen kann. Denn die Ursprünge solcher Erzählungen reichen in prähistorische Zeiten zurück. Das Wissen wurde mündlich weitergegeben, über viele Generationen hinweg. Das hat innerhalb einer Kultur gut funktioniert, doch durch die erheblichen Umbrüche im Verlauf der Geschichte ist vieles zerstört worden oder einfach verlorengegangen. Manches mag bruchstückhaft bis in unsere Zeit gelangt sein, ist aber vielleicht bis zur Unkenntlichkeit verändert worden. Deshalb ist dies ein weites Feld für Spekulationen, und die seriöse Forschung, die interdisziplinär erfolgen muss, hat sich erst zögerlich dieser Thematik angenommen.

Der griechische Mythos von Kallisto und Arkas

Gängig ist, den griechischen Mythos heranzuziehen, um zu erklären, wie die Bären an den Himmel kamen. Wie wir aber wissen, haben die Griechen frühere Traditionen und Beobachtungen aus benachbarten Kulturräumen übernommen und sie mit eigenen Geschichten ergänzt oder vollständig ersetzt. Dies geschah überwiegend in der Zeit vom 6. bis 3. Jahrhundert v. Chr.

Immerhin gibt uns dieser Übermittlungsstrang eine Erklärung dafür, warum unser Sternbild Ursa Major eigentlich eine Große Bärin ist. Denn wie die Endung des lateinischen Wortes ursa erkennen lässt, muss es sich um ein weibliches Tier handeln.

Der griechischen Mythologie zufolge hatte Zeus, der höchste aller olympischen Götter und verheiratet mit seiner Schwester Hera, die Nymphe Kallisto geschwängert. Als diese einen Sohn namens Arkas gebar, schäumte Hera vor Eifersucht. Aus Rache für die Untreue ihres Göttergatten verwandelte sie Kallisto in eine zottige Bärin, die fortan die Wälder durchstreifte. Viele Jahre später begegnete Arkas auf der Jagd eben dieser Bärin, nicht ahnend, wer sie war. Zeus in seiner Allmacht wusste den Muttermord zu verhindern, indem er beide zum Himmel hinauftragen ließ, wo er Kallisto als Ursa Major und Arkas als Bärenhüter Bootes verewigte.

In einer Variante dieser Geschichte verwandelte Zeus auch Arkas in einen Bären und schleuderte Kallisto als Großen und Arkas als Kleinen Bären an den Himmel. Heras Zorn regte sich erneut, als sie ihre Nebenbuhlerin unter den Sternen erstrahlen sah. Sie flehte die beiden Meeresgötter Tethys und Okeanos an, der Bärin das Bad in ihren Wassern zu verbieten – eine mythologische Erklärung dafür, dass dieses Sternbild von Griechenland aus gesehen nie den Horizont berührt.

Das Sternbild Großer Bär bleibt in Mitteleuropa auch in der unteren Kulmination über dem Horizont, Die Tatzen des Bären scheinen den Horizont zu berühren.

An einem Herbstabend in Mitteleuropa scheint der Bär mit seinen Pranken am Nordhorizont entlangzulaufen. (Bild: Uwe Reichert)

Quellen:
  • Angel Bonov: Sternbilder, Sternsagen: Mythen und Legenden um Sternbilder. 2. Auflage, Leipzig 1990
  • Roslyn M. Frank: Origins of the „Western“ Constellations. In: C.L.N. Ruggles (Hrsg.): Handbook of Archeoastronomy and Ethnoastronomy. Springer, New York 2015, S. 147–163
  • Roslyn M. Frank und Jesús Arregi Bengoa: Hunting the European sky-bears: On the origins of the non-zodiacal constellations. In: Clive Ruggles et al. (Hrsg.): Astronomy, Cosmology, and Landscape. Proceedings of the SEAC 98 Meeting, Dublin, Ireland, September 1998. Ocarina Books, 2001
  • Libertas Klimka: Lietuvos dangus: žvaigždės ir žvaigždynai (Der litauische Himmel: Sterne und Sternbilder). In: Lietuva iki Mindaugo (Litauen vor Mindaugas). Vilnius 2003, S. 25–30
  • Friedrich Normann: Mythen der Sterne. Gotha und Stuttgart 1925
  • Eckhard Slawik und Uwe Reichert: Atlas der Sternbilder. Heidelberg, Berlin 1998